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Der aufziehende Sturm

Der aufziehende Sturm

Titel: Der aufziehende Sturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jordan
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Seltsamkeit. Besser das als noch mehr Marath'damane, die sich benehmen, als gehörten sie zum Blut, und vor denen jeder buckeln soll.« Er schauderte sichtlich.
    Tylee nickte, aber sie teilte seinen Abscheu nicht. Jedenfalls nicht völlig. Sie war sich nicht sicher, was sie von Perrin Aybara und seinen Aes Sedai halten sollte, ganz zu schweigen von seinen Asha'man. Und sie wusste kaum mehr über Bäume als Mishima. Aber sie hatte das Gefühl, dass sie schon längst hätten knospen müssen. Und diese Männer, die die Kundschafter immer wieder auf den Feldern sahen, wie konnten sie so schnell verschwinden, selbst mit der Einen Macht?
    Der Quartiermeister hatte heute eines der Proviantpakete geöffnet und nur Staub gefunden. Tylee hätte die Suche nach einem Dieb oder Spaßvogel befohlen, hätte der Mann nicht darauf bestanden, dieses Paket kurz zuvor überprüft zu haben. Karm war ein solider Mann; er war schon seit Jahren ihr Quartiermeister. Er machte keine Fehler.
    Hier war es fast schon eine Selbstverständlichkeit, dass Nahrung verdarb. Karm machte dafür die Hitze dieses seltsamen Landes verantwortlich. Aber Reiseproviant konnte nicht verderben, jedenfalls nicht auf diese unvorhergesehene Weise. Im Augenblick waren alle Omen schlecht. Früher am Tag hatte Tylee zwei tote Ratten auf dem Rücken liegen sehen, und eine hatte den Schwanz der anderen im Maul. Es war das schlimmste Omen, das sie je im Leben gesehen hatte, und nur daran zu denken ließ sie erschaudern.
    Hier ging etwas vor. Perrin war nicht bereit gewesen, viel darüber zu sprechen, aber sie hatte die Last erkannt, die er mit sich trug. Er wusste viel mehr, als er verraten hatte.
    Wir können es uns nicht leisten, diese Leute zu bekämpfen, dachte sie. Das war ein rebellischer Gedanke, den sie vor Mishima nicht aussprechen würde. Die Kaiserin, sie sollte ewig leben, hatte befohlen, dieses Land wieder in Besitz zu nehmen. Suroth und Galgan waren die vom Reich auserwählten Anführer für dieses Unternehmen gewesen, bis sich die Tochter der Neun Monde zu erkennen gegeben hatte. Tylee konnte die Absichten der Hochlady Tuon nicht kennen, aber Suroth und Galgan teilten das Verlangen, dieses Land unterworfen zu sehen. Es war praktisch das Einzige, bei dem sie sich einig waren.
    Keiner von ihnen hörte auf den Rat, bei den Einwohnern dieses Landes nach Verbündeten zu suchen statt nach Feinden. Der Gedanke daran grenzte schon an Verrat. Zumindest war es Insubordination. Tylee seufzte und wandte sich Mishima zu, um den Befehl zu geben, nach einem geeigneten Nachtlager zu suchen.
    Sie erstarrte. Mishima hatte einen Pfeil im Hals stecken, ein bösartiges, mit Widerhaken versehenes Ding. Sie hatte ihn nicht einschlagen gehört. Verblüfft erwiderte er ihren Blick, versuchte zu sprechen, aber aus seinem Mund kam nur Blut. Er rutschte aus dem Sattel und sackte in sich zusammen, als neben Tylee etwas Gewaltiges aus dem Unterholz brach, knorrige Äste zersplitterte und sich ihr entgegenwarf. Ihr blieb kaum genug Zeit, das Schwert zu ziehen und einen Schrei auszustoßen, bevor Staubfresser - ein gutes solides Schlachtross, das sie in noch keiner Schlacht im Stich gelassen hatte - voller Panik auf die Hinterbeine stieg und sie zu Boden warf.
    Vermutlich rettete ihr das das Leben, denn ihr Angreifer schwang ein Schwert mit dicker Klinge und schnitt in den Sattel, wo sie eben noch gesessen hatte. Sie kämpfte sich mit klirrender Rüstung auf die Beine und schrie den Alarmruf. »Zu den Waffen! Ein Überfall!«
    Ihre Stimme gesellte sich buchstäblich gleichzeitig zu hunderten gleicher Rufe. Männer schrien. Pferde wieherten.
    Ein Hinterhalt, dachte sie und hob die Klinge. Und wir sind geradewegs hineingelaufen! Wo sind die Kundschafter? Was ist passiert? Sie warf sich auf den Mann, der versucht hatte, sie umzubringen. Schnaubend fuhr er herum.
    Und zum ersten Mal sah Tylee genau, was er tatsächlich war. Kein richtiger Mann, sondern eine Kreatur mit verzerrten Zügen, deren Kopf mit rauem braunem Haar bedeckt war. Auf der zu breiten Stirn schlug dicke Haut tiefe Falten. Die Augen waren auf grässliche Weise menschenähnlich, aber die Nase war so flach wie die eines Ebers, und aus dem Mund ragten zwei große Stoßzähne. Die Kreatur brüllte sie an, Speichel sprühte von beinahe menschlichen Lippen.
    Beim Blut meiner vergessenen Väter, dachte Tylee. Wo sind wir da hineingeraten? Das Ungeheuer war ein Albtraum, dem man einen Körper verliehen und dann ausgeschickt hatte,

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