Der aufziehende Sturm
und es war beunruhigend, was er ihr alles durchgehen ließ. Wie das Verhör von Semirhage. Die Verlorene war viel zu mächtig und gefährlich, um hier so feinfühlig vorzugehen. Semirhage hätte in dem Moment gedämpft werden sollen, in dem man sie gefangen genommen hatte ... auch wenn Nynaeves Meinung in dieser Angelegenheit direkt mit ihren eigenen Erfahrungen bei Moghediens Gefangenschaft zu tun hatte.
Corele lächelte ihr zu; meistens hatte sie für jeden ein Lächeln übrig. Cadsuane ignorierte sie wie gewöhnlich. Das ging schon in Ordnung. Sie brauchte ihre Anerkennung nicht. Cadsuane glaubte jeden herumkommandieren zu können, nur weil sie jede andere Aes Sedai überlebt hatte. Nun, Nynaeve wusste genau, dass Alter nur wenig mit Weisheit zu tun hatte. Cenn Buie war so alt wie Regen gewesen und hatte so viel Verstand wie ein Haufen Steine gehabt.
Im Verlauf der nächsten Minuten kamen die anderen Aes Sedai des Lagers und die Anführer ins Zelt; vielleicht hatte Rand ja tatsächlich Boten geschickt und hätte sie holen lassen. Zu den Neuankömmlingen gehörten Merise und ihre Behüter, darunter der Asha'man Jahar Narishma mit seinen Glöckchen an den Zöpfen. Damer Flinn, Elza Penfell und ein paar von Basheres Offizieren kamen ebenfalls. Rand blickte bei jedem Eintretenden aufmerksam und misstrauisch auf, wandte sich jedes Mal aber schnell wieder den Karten zu. Wurde er langsam paranoid? Manche Verrückte misstrauten am Ende jedermann.
Schließlich traten Rhuarc und Bael zusammen mit anderen Aiel ein. Wie Katzen auf der Jagd kamen sie durch den großen Zelteingang. Durch eine seltsame Fügung begleiteten einige Weise Frauen - die Nynaeve vorhin hatte spüren können - die Gruppe. Bei den Aiel geschah es oft, dass eine Angelegenheit entweder als Sache der Clanhäuptlinge oder als Sache der Weisen Frauen betrachtet wurde. Ganz so ähnlich wie in den Zwei Flüssen mit dem Dorfrat und dem Frauenkreis. Hatte Rand sie alle um ihr Erscheinen gebeten, oder waren sie aus eigenen Gründen hier?
Nynaeve hatte sich bei Aviendhas Aufenthaltsort geirrt; ungläubig entdeckte sie die hochgewachsene rothaarige Frau in der hinteren Reihe der Weisen Frauen. Warum hatte sie Caemlyn verlassen? Und warum trug sie dieses alte Tuch mit dem ausgefransten Saum?
Sie erhielt keine Gelegenheit, ihr irgendwelche Fragen zu stellen, da Rand Rhuarc und den anderen zunickte und ihnen bedeutete, Platz zu nehmen, was sie auch taten. Rand selbst blieb neben dem Kartentisch stehen. Mit nachdenklicher Miene nahm er die Arme hinter den Rücken, die Hand umschloss den Stumpf. Er hielt sich nicht mit Vorreden auf. »Berichtet mir von eurer Arbeit in Arad Doman«, sagte er zu Rhuarc. »Meine Späher melden mir, dass in diesem Land kein Frieden herrscht.«
Rhuarc nahm von Aviendha eine Tasse Tee entgegen - also betrachtete man sie noch immer als Lehrling -, und wandte sich Rand zu. Der Clanhäuptling trank nicht. »Wir hatten sehr wenig Zeit, Rand al'Thor.«
»Ich interessiere mich nicht für Entschuldigungen, Rhuarc«, sagte Rand. »Nur für Ergebnisse.«
Das trieb mehreren der Aiel die Zornesröte ins Gesicht, und die Töchter am Eingang tauschten hektisch Handsignale aus.
Rhuarc selbst zeigte keine Wut, obwohl Nynaeve sah, dass er den Becher fest umklammerte. »Rand al'Thor, ich habe Wasser mit Euch geteilt«, sagte er. »Ich kann mir nicht vorstellen, dass Ihr mich herbringt, um mich zu beleidigen.«
»Keine Beleidigungen, Rhuarc«, sagte Rand. »Nur die Wahrheit. Wir haben keine Zeit zu verschwenden.«
»Keine Zeit, Rand al'Thor?«, sagte Bael. Der Clanhäuptling der Goshien Aiel war ein sehr großer Mann, und er schien alle zu überragen, selbst wenn er saß. »Ihr habt viele von uns monatelang in Andor gelassen, wo wir nichts zu tun hatten, als die Speere zu polieren und Feuchtländer zu erschrecken! Jetzt schickt Ihr uns mit unmöglichen Befehlen in dieses Land, dann folgt Ihr ein paar Wochen später und verlangt Resultate?«
»In Andor solltet ihr Elayne helfen«, sagte Rand.
»Sie hat unsere Hilfe weder gebraucht noch gewünscht«, sagte Bael schnaubend. »Und sie hatte recht, unsere Hilfe abzulehnen. Ich würde eher mit einem einzigen Wasserschlauch die ganze Wüste durchqueren, als mir von anderen die Herrschaft über meinen Clan überreichen zu lassen.«
Rands Miene verfinsterte sich wieder, sein Blick wurde düster, und wieder einmal wurde Nynaeve an den Sturm erinnert, der sich im Norden zusammenbraute.
»Dieses Land ist
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