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Der aufziehende Sturm

Der aufziehende Sturm

Titel: Der aufziehende Sturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jordan
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Linken. Langsam wurde es dunkel, und Laternen, die kostbarstes Öl verbrannten, beleuchteten kümmerliche Bretterhütten und Zelte zu ihrer Rechten. Voraus auf der Heerseite erhob sich eine kleine, runde Palisade. Sie schloss nicht das ganze Heer ein - tatsächlich war sie nur groß genug für mehrere Dutzend Offizierszelte und einige größere Kommandozelte. Im Notfall sollte sie als Befestigung dienen, sollte aber immer ein Operationszentrum sein - Bryne hielt viel davon, das größere Lager durch eine physische Barriere von dem Ort zu trennen, an dem er sich mit seinen Offizieren besprach. Bei der Unruhe in dem zivilen Lager und einem zu sichernden Umkreis von dieser Länge würde es Spionen sonst zu leicht gemacht, sich seinen Zelten zu nähern.
    Die Palisade war erst zu drei Vierteln fertiggestellt, aber die Arbeit ging rasch voran. Vielleicht würde er sich entscheiden, das ganze Heer einzuzäunen, sollte die Belagerung lange genug andauern. Im Augenblick war Bryne der Meinung, dass der kleine befestigte Kommandoposten den Soldaten nicht nur Sicherheit einflößen, sondern ihnen auch Autorität vermittelten würde.
    Die acht Fuß hohen Pfähle erhoben sich spitz in den Himmel, eine Reihe von Wächtern, die Seite an Seite standen. Während einer Belagerung hatte man meistens viele Leute für derartige Arbeiten übrig. Die Wächter am Palisadentor wussten, dass sie Siuan passieren lassen sollten, und sie eilte zu Brynes Zelt. Sie hatte Wäsche zu erledigen, aber das meiste davon würde vermutlich bis zum nächsten Morgen warten müssen. Nach Einbruch der Dunkelheit sollte sie Egwene im Tel'aran'rhiod treffen, und der Sonnenuntergang verblasste bereits.
    Wie gewöhnlich brannte in Brynes Zelt nur ein kleines Licht. Wo andere Leute ihr Öl verschwendeten, geizte er. Die meisten seiner Männer lebten besser als er. Dieser Narr. Sie betrat das Zelt, ohne sich vorher anzukündigen. Wenn er dumm genug war, sich umzuziehen, ohne vorher hinter die Trennwand zu gehen, dann hatte er Pech gehabt, wenn man ihm dabei zusah.
    Er saß an seinem Schreibtisch und arbeitete beim Licht einer einsamen Kerze. Anscheinend las er Späherberichte.
    Siuan schnaubte und ließ die Zeltplane hinter sich zufallen. Keine einzige Laterne! Dieser Mann! »Ihr werdet Euch noch die Augen verderben, wenn Ihr bei diesem Licht lest, Gareth Bryne!«
    »Den größten Teil meines Lebens habe ich beim Licht einer Kerze gelesen, Siuan«, erwiderte er und drehte ein Blatt um, ohne aufzuschauen. »Und ich muss Euch sagen, dass meine Augen noch genauso gut sind wie als Junge.«
    »Ach?«, sagte Siuan. »Dann konntet Ihr also schon damals schlecht sehen?«
    Bryne grinste, las aber weiter. Siuan schnaubte vernehmlich, damit er es auch hörte. Dann webte sie eine Lichtkugel und ließ sie über seinem Tisch schweben. Dieser dumme Mann. Sie würde nicht zulassen, dass er so blind wurde, dass er in der Schlacht bei einem Angriff fiel, den er nicht sehen konnte. Nachdem sie das Licht neben seinem Kopf platziert hatte, begab sie sich zu der Wäscheleine, die sie quer durch die Mitte des Zeltes gespannt hatte, und nahm die Wäsche ab. Er hatte sich nicht darüber beschwert, dass sie die Wäsche in seinem Zelt trocknete, und hatte sie auch nicht abgenommen. Das war enttäuschend. Sie hatte damit gerechnet, deswegen von ihm gerügt zu werden.
    »Heute ist eine Frau aus dem Lager da draußen auf mich zugekommen«, sagte Bryne, schob den Stuhl ein Stück zur Seite und nahm einen weiteren Blätterstapel. »Sie hat mir einen Waschdienst angeboten. Die Frau organisiert eine Gruppe Wäscherinnen im Lager, und sie hat behauptet, sie könnte meine Wäsche schneller und effizienter als eine einzelne, abgelenkte Dienerin erledigen.«
    Siuan erstarrte, dann warf sie einen Seitenblick auf Bryne, der seine Papiere durchsah. Sein energisches Kinn wurde auf der linken Seite von dem gleichmäßigen weißen Licht ihrer Kugel beleuchtet und rechts von dem flackernden orangen Kerzenlicht. Manche Männer schwächte das Alter, andere sahen müde oder ungepflegt aus. Bryne hingegen war distinguiert, wie eine von einem Meisterbildhauer gefertigte Säule, die dann den Elementen überlassen worden war. Das Alter hatte weder seine Leistung noch seine Stärke mindern können. Es hatte ihm einfach Charakter verliehen, seine Schläfen mit Silber bestäubt und Fältchen der Erfahrung in sein Gesicht eingeprägt.
    »Und was habt Ihr dieser Frau gesagt?«, wollte sie wissen.
    Bryne legte ein Blatt

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