Der aufziehende Sturm
zur Seite. »Ich habe ihr gesagt, dass ich mit meiner Wäsche zufrieden bin.« Er schaute zu ihr hoch. »Ich muss sagen, Siuan, dass ich überrascht bin. Ich hatte immer angenommen, dass eine Aes Sedai nur wenig von dieser Arbeit verstehen würde, aber meine Uniformen wiesen nur selten eine solch perfekte Kombination aus Steifheit und Bequemlichkeit auf. Man muss Euch loben.«
Sie wandte sich von ihm ab und verbarg ihr Erröten. Dieser dumme Mann! Sie hatte Könige dazu gebracht, vor ihr zu knien! Sie hatte die Aes Sedai manipuliert und auf die Erlösung der Menschheit hingearbeitet! Und er machte ihr Komplimente wegen ihrer Arbeit als Wäscherin?
Das Problem war nur, dass es ein ehrliches und bedeutsames Kompliment war, wenn es von ihm kam. Er schaute nicht auf Wäscherinnen herab oder auf Botenjungen. Er behandelte alle gleich. In Gareth Brynes Augen gewann eine Person nicht an Bedeutung, weil sie ein König oder eine Königin war; man gewann an Bedeutung, weil man Versprechen einhielt und seine Pflicht tat. Für ihn war ein Kompliment wegen gut gemachter Wäsche genauso bedeutungsvoll wie ein Orden, den man einem Soldaten verlieh, weil er vor dem Feind nicht zurückgewichen war.
Sie schaute wieder zu ihm hin. Er betrachtete sie noch immer. Dieser Dummkopf! Eilig nahm sie das nächste Hemd ab und machte sich daran, es zusammenzufalten.
»Ihr habt mir nie plausibel erklärt, warum Ihr Euren Eid gebrochen habt«, sagte er dann.
Siuan stockte der Atem; sie schaute auf die Zeltwand, auf die Schatten der noch immer hängenden Wäsche. »Ich war der Meinung, Ihr hättet es verstanden«, sagte sie dann und faltete weiter. »Ich hatte wichtige Informationen für die Aes Sedai in Salidar. Außerdem konnte ich Logain ja wohl schlecht frei herumlaufen lassen, oder? Ich musste ihn finden und nach Salidar schaffen.«
»Das sind Ausreden«, sagte Bryne. »Oh, ich weiß, dass sie alle der Wahrheit entsprechen. Aber Ihr seid eine Aes Sedai. Ihr könnt vier Tatsachen in den Raum stellen und damit die echte Wahrheit so verbergen, wie es ein anderer nur mit Lügen könnte.«
»Wollt Ihr etwa behaupten, ich wäre eine Lügnerin?«, verlangte sie zu wissen.
»Nein«, sagte er. »Nur eine Eidbrecherin.«
Sie riss die Augen auf. Jetzt würde sie ihm aber derart die Meinung sagen, dass ...
Sie zögerte. Er beobachtete sie, in den Schein der beiden Lichtquellen getaucht, mit einem nachdenklichen Ausdruck in den Augen. Reserviert, aber nicht vorwurfsvoll. »Wisst Ihr, diese Frage hat mich hergetrieben«, sagte er. »Darum habe ich Euch so weit gejagt. Darum habe ich mich schließlich den rebellischen Aes Sedai verschworen, obwohl ich keine Lust hatte, mich in einen weiteren Krieg vor Tar Valon verstricken zu lassen. Das tat ich alles nur, weil ich es verstehen musste. Ich musste es wissen. Warum? Warum hat die Frau mit diesen Augen, diesen leidenschaftlichen, unvergesslichen Augen, ihren Eid gebrochen?«
»Ich habe Euch gesagt, dass ich zurückkehren und diesen Eid erfüllen würde«, beharrte Siuan, wandte sich von ihm ab und schlug ein Hemd aus, um es von seinen Falten zu befreien.
»Wieder eine Ausrede«, sagte er leise. »Eine weitere Antwort einer Aes Sedai. Werde ich je die Wahrheit von Euch erfahren, Siuan Sanche? Hat das jemals jemand getan?« Er seufzte, und sie hörte Papier rascheln; der feine Luftzug seiner Bewegungen ließ die Kerze flackern, als er sich wieder seinen Berichten zuwandte.
»Als ich in der Weißen Burg noch Aufgenommene war«, sagte Siuan leise, »war ich eine von vier Personen, die anwesend waren, als eine Vorhersage die unmittelbar bevorstehende Geburt des Wiedergeborenen Drachen an den Hängen des Drachenberges verkündete.«
Das Rascheln verstummte schlagartig.
»Eine dieser Personen«, fuhr Siuan fort, »starb auf der Stelle. Eine andere starb kurz darauf. Ich bin fest davon überzeugt, dass sie - es war die Amyrlin höchstpersönlich - von der Schwarzen Ajah ermordet wurde. Ja, sie existiert. Solltet Ihr jemanden verraten, dass ich diese Tatsache zugab, werde ich Euch die Zunge herausreißen.
Wie dem auch sei, vor ihrem Tod schickte die Amyrlin Aes Sedai auf die Jagd nach dem Drachen. Diese Frauen verschwanden, eine nach der anderen. Die Schwarzen müssen Tamra gefoltert haben, um ihre Namen zu erfahren, bevor sie sie töteten. Sie würde diese Namen nicht so ohne Weiteres verraten haben. Manchmal fröstelt es mich noch immer, wenn ich daran denke, was sie durchgemacht haben muss.
Bald gab
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