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Der Ausloeser

Der Ausloeser

Titel: Der Ausloeser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Sakey
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Fenster. Sein Bein hatte nicht mal gezuckt.
    Arschloch , dachte Mitch, als er einige Reihen nach hinten ging, sich mit einer Hand an die Stange über seinem Kopf klammerte und sich vom Bus durchschütteln ließ. Seine Fersen brannten, als hätte man ihm Holzschrauben in die Knochen getrieben, und die penetranten Rückenschmerzen, die immer mittags einsetzten, hatten inzwischen Schultern und Hals erreicht. Aber das gehörte eben zum Berufsrisiko, wenn man den ganzen Tag vorm Continental Hotel stand und alle paar Sekunden eine schwere Glastür aufhieven durfte. Und dabei auch noch lächeln musste.
    Sind ja nur ein paar Stationen , sagte er sich. Hat keinen Sinn, deswegen einen Aufstand zu machen.
    Er verlagerte das Gewicht von einer Fußkante auf die andere. Im Bus hing warme, feuchte Luft, ein Gemisch aus verschiedensten Körperausdünstungen. Mitch befürchtete, dass ein Teil davon auf sein Konto ging, aber was sollte er machen? Schließlich war er verpflichtet, Sakko und Krawatte zu tragen, und das unter der gleißenden Sonne. Er wünschte, er hätte noch schnell duschen können.
    Denn heute war der große Abend. Er hatte sich endgültig entschlossen, Jenn zu fragen. Zumindest, wenn sich eine passende Gelegenheit dazu ergeben sollte, also wenn die beiden anderen Jungs kurz verschwanden. Außerdem sollte er damit warten, bis er ein paar Drinks gekippt hatte. Erst mal den Tag hinter sich lassen, sich ein bisschen locker machen. Locker war gut. Irgendein lockerer Spruch, zum Beispiel: »Hey, hast du von dieser neuen Sake-Lounge gehört? Die könnte man sich doch mal anschauen, ein bisschen Yuppies gucken und so.« Oder war das jetzt zu locker? Am Ende würde sie darauf erwidern: »Hey, hört sich gut an – warum gehen wir da nicht alle zusammen hin?« Nein, er sollte es eher so versuchen: »Wäre doch schön, wenn wir uns mal in Ruhe unterhalten könnten. Also nur wir zwei?« Andererseits wollte er sie nicht in Verlegenheit bringen …
    Als die Haltestelle vor ihm auftauchte, hatte er immer noch nicht den richtigen Spruch gefunden. Vielleicht würde er einfach improvisieren.
    Das Rossi’s war einer dieser Läden, die wie gemacht waren für Menschen, die in einer Identitätskrise steckten. Halb Bar, halb Restaurant, wurde es sowohl von Familien frequentiert, die zum Essen herkamen, als auch von Leuten, die nach der Arbeit noch einen trinken wollten. Es hatte sich auf einem weniger modischen Abschnitt der Lincoln Avenue eingenistet und war über die letzten Jahre zu ihrer Stammkneipe geworden – wahrscheinlich, weil sie dank Alex Spezialpreise bekamen. Eigentlich komisch: In Chicago wimmelte es von großartigen Bars, und sie trafen sich Woche für Woche in einem Möchtegern-Restaurant, an dem sie ansonsten blindlings vorbeigelaufen wären.
    Nach der stickigen Luft im Bus genoss Mitch die klimatisierte Kühle des Rossi’s. Er nickte der Dame am Empfang zu, durchquerte den Restaurantbereich, wo es wie immer nach deftiger Bolognese und Carbonara roch, und ging zur Bar. Die Reihen der üblichen Feierabend-Kneipengänger hatten sich nach und nach gelichtet, doch einige hatten noch nicht den Absprung geschafft – Männer in lockerer Geschäftskleidung, lachende Frauen mit Gläsern voll pinker, grüner und blassgelber Flüssigkeiten, ausgefallene Martinis mit Sirup und Likör. Mitch ließ das alles links liegen und blickte hinüber zu ihrem Stammplatz.
    Verdammt. Außer Alex, der hinter der Theke stand und Bier zapfte, war niemand zu sehen. Hätte er lieber mal geduscht.
    »Dieses Sackgesicht«, sagte Alex, als sie an die Theke trat. »Den sollte man – teeren und federn oder so.«
    »Wen?« Jenn lächelte ihn an – aber nicht zu lange –, bevor sie erst Ian, dann Mitch umarmte. Ians knochige Schultern drückten sich durch sein Hemd. Mitch steckte noch in seiner Uniform, das Sakko mit dem Hotellogo hing über der Lehne des Barhockers.
    »Hey, Tasty! Pünktlich wie immer«, sagte Alex und erwiderte ihr Lächeln mit einem herzlichen Zwinkern. Normalerweise hätte sie sich den albernen Spitznamen nicht gefallen lassen – Tasty reimte sich auf Lacie, na toll. Aber wie er es sagte, klang es nicht schmutzig, sondern nett. »Kommst du von einem heißen Date?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Vom Kickboxen. Also, wen willst du teeren und federn?«
    »James Cayne.«
    »Wen?«
    »James Cayne, seines Zeichens ehemaliger CEO von Bear Stearns«, erklärte Ian. »Diese Investmentbank, die die Fed gerade aus der Scheiße holen musste.

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