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Der Autor und sein Werk

Der Autor und sein Werk

Titel: Der Autor und sein Werk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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eingezogen,
und nur …
Jan
(ist bei diesem Namen aufgefahren und blickt Gudrid an)
Gudrid, entsinne dich:
Bareño della Cabriliero?!
Gudrid
Kennst du ihn?
Jan
Am Hofe zu Madrid war er
Oberst in Philipps Garde und mein Herr.
Gudrid
Kaum hatte ich das Fieber der Geburt
mit Not und knappem Leben überstanden,
stieß er mich von sich, wie man einen Hund
mit einem Fußtritt aus der Hütte scheucht,
und schrie, ich Dirne sollte schnell
aus dem Bereich des Lagers kommen, oder
seine Truppen ließen mich Spießruten
laufen, samt dem Wechselbalg. Nun war
ich frei, frei von der Gier der Menschen.
Ich jubelte, ich jauchzte in die Luft,
frei, frei, frei! Wie wurde mir das Kind
so leicht im Arm, der vor Entkräftung
zitterte.
Jan
Darin erkenne ich den Oberst.
Der Herr, dem zu Gefallen er die Ehre
zum Opfer brachte, forderte den Kopf. Er ist
vom König, wie ich hörte, durch das Schwert
zum Tod verurteilt worden, weil er mich in Spanien nicht
fesseln konnte. Er fiel, wie er gelebt – verachtet!
Gudrid
Doch
nicht alles hörtest du. Leid geht nicht
so schnell in Freude über, wie ich dachte.
Schwach von den Qualen, mußte ich
das Kind und mich ernähren. Als ein
Bettelweib zog ich in Staub
der Straße eingehüllt, von Dorf zu Dorf,
von Ort zu Ort, durchquerte tote Länder,
verwüstet, abgebrannt, zerstört, versengt,
ein Grauen der Kultur – und in
dem Magen wühlte Hunger, auf dem Arm
schrie jener Wurm, der seine Reise
gleich mit dem Fluch begann. Verzweifelt
hielt ich oft inne, setzte mich am Rand
der Straße in den Staub, kühlte in
dem Bach, der meinen Weg durchquerte,
die blutverklebten Sohlen meiner Füße.
Ich hungerte, ich stöhnte, schrie mir zu:
»Warum die Qual, sei stark und mach
ein Ende! Dieses Kind, was geht es dich,
von fremdem Blute, an? Die Ausgeburt
der Schande, wirf es fort!« Und oft
wollt' ich im Wahnsinn es erwürgen.
Jan
(stöhnt) O Gudrid! Gudrid!
Gudrid
Und der Winter kam,
mit Unbarmherzigkeit schickt' er
die Stürme, Eis und Schnee, das weiße Leinen,
mir bald zum Leichentuch geworden.
Gehüllt in Lumpen, wehrlos jedem Sturm,
der Kälte preisgegeben, wankte ich
auf glatten Straßen, um die Füße
zerrissene Leinensäcke, einer beßren
Welt entgegen. Jetzt war das Sterben
mir lieber als das Leben, und ich sehnte
mich nach Licht des Jenseits, nach
dem Paradies. Doch an dem Mut,
freiwillig mich zu opfern, fehlte es.
Der Wind pfiff übers Flachland, dicht
gepreßt an meinen Körper hielt ich meinen
Knaben, damit die schwache Wärme meines Blutes
durch seine Haut ein wenig Leben trug.
Wie klirrte unter meinen blauen Füßen
der Frost der Straße, und im Arm
trug ich ein Bündel Fetzen, stöhnender
verfluchter Auswurf, den ich Kind benannte.
Auf eine Nacht voll Güte der Natur,
in der die Kälte nachließ und ich frohgesinnt
an eine Linderung des Leidens glaubte, folgte
ein Tag des Schneesturms, gräßlich, ohne
Mitleid für die preisgegebne Kreatur. Was
wollte Gott an mir bestrafen, was? Ich hatte
mich nicht selbst zur Heeresdirne
erniedrigt noch gedrängt – der Zwang
der Gier nach jungem, ungebrauchtem Fleisch
war mein Verhängnis, nicht die eigne Lust.
Was wollte Gott bestrafen?! Was? Das Kind,
mit jedem Zuge aus der engen Brust ein
Stöhnen, Röcheln in die Eisluft hauchend,
war zu erfroren, um den kleinen Mund
zu einem Schrei zu öffnen. »Nein«, rief ich,
»hast du schon das Leben, so behalte es,
nicht mir, nicht dir, dem Schicksal, dem
zum Trotz, der eine Welt geschaffen haben will
und dieses Leid mit Ruhe dulden kann! Zum
Trotz behalt den Rasselatem, zeige ihm,
daß auch der Mensch sein Schicksal zwingen
kann!« So rief ich, durch den Schmerz
verblendet, und lästerte den Gott, der mir
im Lager Albas allen Trost gegeben. Hin
zur Erde sank ich, in den tiefen Schnee, und
rieb den kleinen Körper ab, den Mund
hab ich geöffnet und den eignen Atem
ihm zwischen seine schmalen Lippen eingehaucht –
umsonst, vergeblich war die letzte Kraft:
Er starb, mein Junge, röchelte noch in
der Nacht in meinen zitterigen Armen
sein armes Leben aus – zwei Monde alt.
Da faßte mich nicht Trauer, nicht
der Gram, der den Verlust beweint, – nein,
wilder Schmerz, Verzweiflung, Fluch auf
diese Welt, auf dieses Leben, das dem Menschen
die Prüfung für das Paradies sein sollte!
Schrill lachte ich bei den Gedanken, scharrte
den Schnee fort, grub mit meinen Nägeln
so lange in die Erde, die der Frost
zu einer Eisenplatte schien gepreßt zu haben,
bis Blut aus meinen Fingern troff und
der Schmerz mich zur Vernunft rief.

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