Cloudbusters und die Stadt der Schläfer (German Edition)
Prolog
Potsdam, die berühmte und schöne Residenz der Könige von Preußen, ist umgeben von Seen. An einem der einsamen und gewundenen Ufer spiegelte sich ein Kubus aus Stahl und Glas im flachen Wasser. Das war der wichtigste Forschungsstandort von Ziggedorn Electronics – und auch der geheimste.
Senta Seiguth genoss ihr Leben. Sie hatte eine Sicherheitsfreigabe der Stufe eins. Niemand in der realen Welt hätte von ihrem Gehalt zu träumen gewagt. Und das Wochenende stand vor der Tür.
Tom Fischer, ihr Boss, war guter Laune. Er machte einen Witz über die Memos in seinem Fach und marschierte in sein Labor. Später ließ sie Salim Quant rein und brachte den beiden Kaffee und arabische Kekse mit Pistazien- und Dattelfüllung. Bitte niemanden durchstellen und nicht stören, hatte Tom gesagt.
Außer ihm war sie die einzige, die die Labortür allein öffnen konnte. Für alle anderen galt, dass sie ihre Karten gleichzeitig zu zweit durch Lesegeräte ziehen mussten. Hinter dieser Tür arbeitete er an dem DING.
Tom Fischer sah wie immer ein wenig zerzaust aus. Es war dieses widerspenstige Haar, das in alle Richtungen abstand und die Art wie er lachte und sich begeistern konnte, was Senta so sehr an ihm mochte. Ja, sie verehrte ihn, und wäre sie 15 Jahre jünger gewesen, sie hätte sich in ihn verliebt. Aber Tom war verheiratet und hatte eine entzückende Tochter die Milli hieß, und die er ein paar Mal mitgebracht hatte.
Salim Quant war diesmal mit einer Melone auf dem Kopf erschienen. Senta konnte sich nie entscheiden, ob sie seine Kleidung lächerlich oder elegant finden sollte. Er war einer der exzentrischen, aber zweifellos genialen Wissenschaftler, die sich bei Tom die Klinke in die Hand gaben. Niemand wusste genau, wie das DING aussah. Hinter einer Abschirmung stak es zwischen einer Unzahl von computergesteuerten Roboterarmen und Kabelbäumen von der Dicke von Elefantenbeinen.
Senta sah auf die Uhr: Tom hatte sie an einem Freitag noch nie auf ihren Feierabend warten lassen. Dann zögerte sie nicht länger und ging nachsehen, was mit den beiden war.
Fürs ungeübte Auge war alles beinah unverändert.
Was fehlte war: Tom Fischer, Salim Quant und das DING.
Übrig waren zwei halbe Tassen kalt gewordener Kaffee und Krümel von Keksen.
Das ist unmöglich, war Senta Seiguths erster klarer Gedanke und vage schwante ihr, was für Konsequenzen es haben würde.
Umzug nach Koppelitz
Hätte Milli das Drehbuch ihres Lebens selbst geschrieben, wäre alles anders gekommen. Ihr Vater wäre noch da und ihre Mutter wäre nicht verrückt geworden. Sie wäre in Berlin aufgewachsen und zur Schule gegangen und niemals durch ein vagabundierendes Transitfenster in den unbekannten Raum gefallen. Ziggedorn hätte nicht in ihr Leben gepfuscht und Batori und Emma wären nicht zu ihrer Ersatzfamilie geworden. Anna, Ben und Chong hätten keine Rolle in ihrem Leben gespielt und das Geheimnis um Eliza wäre nie gelüftet worden. So was wie die Cloudbusters gäbe es nicht und echte Waffen hätte sie nicht im Traum angefasst. Und hätte ihr jemand von der Sondereinsatzgruppe Affenterror erzählt, hätte sie es für einen schlechten Witz gehalten.
Aber auch, wenn alles anders gekommen wäre; es gab zwei Dinge in Millis Leben, die unumstößlich feststanden: Sie wusste, dass mit der Welt was nicht stimmte und sie wusste, dass auf Onkel Batori Verlass war.
Batori hatte alles organisiert, den Möbelwagen, die Klink für Johanna, Millis neues Zuhause und die neue Schule. Sie mussten nur noch ihre Sachen einpacken und dann ging es ab aufs Land.
Milli stand ratlos vorm offenen Kleiderschrank und wälzte schwerwiegende Gedanken: konnte man in einer Kleinstadt dasselbe anziehen wie in Berlin?
„Was ist los?“, fragte Johanna, die plötzlich im Türrahmen stand und offenbar Millis Zimmer unter die Lupe nahm.
„Ich kann doch in Koppelitz nicht genauso rumlaufen wie hier!“
Johanna produzierte ihr übliches vages Lächeln. „Milli, Liebes … Koppelitz ist nur hundert Kilometer von Berlin entfernt, die Menschen dort sind auch nicht anders als hier.“
Sie hat keine Ahnung, dachte Milli und starrte wieder den Inhalt ihres Schrankes an.
Es klingelte an der Haustür. Gleich darauf stand Lorenz von Rippel mit einer Tüte Brötchen im Wohnzimmer. Seit Millis Vater verschwunden war, hatte er ihre Mutter oft besucht. Vermutlich war er wieder seiner Fitness zuliebe zu Fuß ins Dachgeschoss gerannt. Jeder hätte bis dahin schwer geatmet,
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