Der azurne Planet
Ziel immer weiter entfernen.«
»Was ist denn jetzt unser ursprüngliches Ziel?« fragte Phyral Berwick.
Barquan Blasdel hob überrascht beide Arme. »Ja, gibt es daran denn einen Zweifel? Laut Sklar Hasts eigener Aussage hat er nicht nur die Gesetze Königs Krakons gebrochen, sondern auch die Bräuche unseres Volkes verletzt. Wir sind hier versammelt – und nur allein das ist unser Ziel –, ihn seiner gerechten Strafe zuzuführen.«
Phyral Berwick wollte etwas sagen, wurde aber von dem rasch aufgesprungenen Roger Kelso abgelenkt. »Ich muß darauf hinweisen, daß das Denken des ehrenwerten Fürbitters von großer Verwirrung gesteuert zu sein scheint. Die Gesetze König Krakons sind nicht die Gesetze der Menschen; also ist ein Verstoß gegen sie auch kein Verbrechen! Wenn dem so wäre, hätten sich außer Sklar Hast noch viele andere schuldig gemacht.«
Barquan Blasdel schien dieser Einwand nicht zu beeindrucken. »Die Verwirrung liegt in einem ganz anderen Bereich. Die Gesetze, auf die ich mich beziehe, haben sich aus dem Abkommen zwischen uns und König Krakon ergeben: Er beschützt uns vor den Schrecknissen der See; dafür verlangt er von uns, daß wir anerkennen, daß er dort der alleinige Herrscher ist.
Und wenn man von diesem Abkommen abweicht, ist dies nicht mehr und nicht weniger als ein Unterlaufen der von den Fürbittern und Schiedsmännern der Plattformen aufgestellten Lebensregeln. Nur sie besitzen genügend Weitblick und Weisheit, um diese Regeln niederlegen zu können. Und aufgrund dieser Regeln haben wir das Verbrechen Sklar Hasts abzuwägen.«
»Genau«, sagte Roger Kelso. »Und um das tun zu können, müssen wir erfahren, ob Semm Voiderveg König Krakon nach Tranque gerufen hat.«
Man konnte der Stimme Barquan Blasdels jetzt förmlich anhören, wie vergrätzt er war. »Wir dürfen nicht die Taten eines Menschen in Frage stellen, der die Position eines Fürbitters einnimmt! Und ebensowenig ist es gestattet, die Geheimnisse unserer Zunft preiszugeben!«
Phyral Berwick gab Barquan Blasdel mit einer Handbewegung zu verstehen, daß er schweigen solle. »In einer Lage wie dieser, wenn es um Fragen von grundsätzlicher Bedeutung geht, können Zunftgeheimnisse nur noch von zweitrangiger Wichtigkeit sein. Nicht nur ich, sondern das ganze Volk will jetzt die unverschleierte Wahrheit erfahren. Geheimniskrämerei ist in diesem speziellen Fall nicht mehr gestattet, das ist mein Befehl. Also, Semm Voiderveg, ich stelle dir die Frage: Hast du König Krakon in der fraglichen Nacht nach Tranque gerufen oder nicht?«
Die Luft schien zu erstarren. Alle Augen richteten sich auf Semm Voiderveg. Er räusperte sich und wandte den Blick zum Himmel; seine Antwort zeigte aber, daß er keinesfalls aus der Fassung geraten war. »Die Frage ist naiv. Wie könnte ich als Fürbitter arbeiten, wenn ich nicht über Mittel verfügte, mit denen ich einerseits König Krakon von unserer Opferbereitschaft berichten, andererseits ihn aber auch im Notfall herbeirufen kann? Als der Räuber in unsere Lagune eindrang, war es nicht weniger als meine Pflicht, König Krakon zu rufen. Und genau das tat ich. Mit welchen Mitteln ich das tat, geht niemanden etwas an.«
Barquan Blasdel nickte in uneingeschränkter Zustimmung und schien beinahe erleichtert zu sein. Phyral Berwick klopfte mit den Fingern auf das Rednerpult, öffnete mehrmals den Mund, um etwas zu sagen, und schwieg dann doch. Schließlich fragte er eher lahm: »Und du pflegst König Krakon ausschließlich zu diesen beiden Gelegenheiten zu rufen?«
Semm Voiderveg machte eine beleidigte Miene. »Was soll diese Frage?« verlangte er zu wissen. »Ich bin ein Fürbitter; der Verbrecher ist Sklar Hast!«
»Immer mit der Ruhe. Die Fragen sollen die Schwere des vergangenen Verbrechens erleuchten. Laß mich zum Beispiel die folgende Frage stellen: Rufst du König Krakon gelegentlich auch, damit er in der Lagune die Schwammpfähle bestimmter Personen abweiden soll, um diesen oder allen Plattformbewohnern eine Warnung oder Lehre zu erteilen?«
Semm Voiderveg klapperte mit den Augendeckeln. »Die Weisheit König Krakons ist unermeßlich. Er kann Übeltäter erkennen und macht durch seine Gegenwart …«
»Hast du König Krakon in diesem Fall nach Tranque gerufen, weil Sklar Hast versuchte, den Räuber zu töten?« fragte Phyral Berwick.
»Meine Handlungen stehen hier nicht zur Debatte. Ich sehe nicht ein, aus welchen Gründen ich diese Frage beantworten sollte.«
Barquan Blasdel
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