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Der azurne Planet

Der azurne Planet

Titel: Der azurne Planet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Vance
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schaute ihn an. Er rang nach Luft und machte einen niedergeschlagenen Eindruck. Jemand hatte ihn mit einem Messer verletzt. Blut lief über sein Gesicht; man hatte ihm die Kleider förmlich vom Leib gerissen. Ohne Blasdel anzusehen, bestieg er die Tribüne und wandte sich den beiden Gruppen zu. »Ich bin mit Barquan Blasdel einer Meinung. Dies ist wirklich ein schwarzer Tag in unserer Geschichte – aber versteht mich nicht falsch: Die Menschen müssen das Meeresungeheuer beherrschen, oder sie verdienen es nicht besser, daß sie von ihm beherrscht werden! Ich werde jetzt nach Tranque zurückkehren, denn der dort angerichtete Schaden muß repariert werden. Wie Fürbitter Blasdel gesagt hat, müssen wir eine Entscheidung treffen, die nicht mehr rückgängig zu machen ist. So sei es! Diejenigen, die ein freies Leben wollen, mögen mir nach Tranque folgen. Dort wird sich entscheiden, welcher Schritt als nächster unternommen werden muß.«
    Barquan Blasdel stieß ein heiseres, beinahe haßerfülltes Schnaufen aus und zeigte damit überdeutlich, daß er diese Rede nicht nur mit bitterem Amüsement begrüßte. Seine ehemalige Besonnenheit war nun völlig von ihm abgefallen. Er zeigte nun sein wahres Gesicht und beugte sich haßerfüllt über den Podiumsrand. »Dann geht doch auf eure ruinierte Plattform zurück! Verschwindet, ihr Ungläubigen und Unbelehrbaren; verschwindet und laßt euch hier nicht wieder blicken!
    Laßt euch auf Tranque nieder und laßt den Namen eurer Heimat zu einem verächtlichen Schimpfwort werden, vor dem jeder ehrliche Mensch ausspuckt! Aber kommt bloß nicht auf die Idee, nach König Krakon zu schreien, wenn die Räuber, die er von nun an nicht mehr verjagen wird, eure Schwammpfähle abfressen, eure Netze zerreißen und eure Boote zertrümmern!«
    »Ein Dutzend der kleinen Räuber können nicht so schlimm sein wie König Krakon selbst«, erwiderte Sklar Hast. »Laßt euch dennoch nicht vom hochtrabenden Geschwätz des Fürbitters dazu verleiten, in Massen nach Tranque zu gehen. Solange die Netze nicht repariert und neue Schwammpfähle angebaut sind, kann die Plattform nur wenige Menschen ernähren. Momentan wäre eine Emigration, wie Blasdel sie vorschlägt, jedenfalls nicht anzuraten.«
    Der rothaarige Färber rief aus: »Es wäre besser, wenn die Fürbitter ihren König schnappten und mit ihm zusammen emigrieren würden, und zwar möglichst weit weg, damit wir endlich in Frieden leben können!«
    Ohne auf die Worte des Mannes einzugehen, sprang Blasdel von der Tribüne herunter und marschierte mit festen Schritten seiner Privatplattform entgegen.

 
     
6
     
     
    Ungeachtet der zu erwartenden Mühsal – vielleicht auch deswegen, weil die auf sie zukommende Arbeit noch niemandem so richtig ins Bewußtsein gedrungen war – kehrte der größte Teil der Plattformbewohner nach Tranque zurück. Nur einige wenige, die sich vor den momentanen Umständen fürchteten, entschieden sich dazu, anderswo Obdach zu erbitten. Diese Leute rechneten mit der Hilfe ihrer Vettern oder Zunftkameraden auf anderen Plattformen. Die meisten jedoch entschieden sich dazu, auf Tranque einen Neubeginn zu versuchen, und ließen sich von den Verwüstungen nicht abschrecken. Sie bestiegen die Boote und ruderten schweigend über die See, während andere ihre Wunden verbanden und sich verlegen bemühten, weder nach rechts noch nach links zu sehen, aus Furcht, den Blick eines Verwandten oder Nachbarn aufzufangen, den man noch kurz zuvor mit einer Keule oder mit den Fäusten bearbeitet hatte. Die meisten starrten aufs Wasser hinaus.
    Es war eine traurige Fahrt durch den grauvioletten Abend, als man an den verschiedenen Plattformen entlangpaddelte, von denen jede ihre charakteristischen Umrisse zeigte, anhand derer man sie erkennen konnte und zu unterscheiden vermochte. Die Plattformen hatten dermaßen offensichtliche Eigenheiten, daß man bestimmte Wortwendungen als für Aumerge typisch bezeichnen oder in einem eigenen Stil gefertigte Holzschnitzereien als von Leumar stammend klassifizieren konnte. Und auch Tranque verfügte nun über eine Einmaligkeit, die ihresgleichen suchte: Sie war die einzige Plattform, die zerstört war. Dieser Gedanke genügte, um den Bewohnern die Tränen des Kummers in die Augen und Bitterkeit in die Herzen zu treiben. Für sie hatte sich alles geändert; das Leben würde von nun an nie wieder so sein, wie es gewesen war. Selbst wenn es ihnen gelingen sollte, Groll und Bitterkeit zu überwinden: Es

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