Der Bastard und die Lady
Demnach kannst du nicht allzu diskret vorgegangen sein. Sie vergleicht dich mit Machiavelli? Das trifft es wohl kaum. Wer anderen eine Grube gräbt, fällt selbst hinein.“
„Das ist nicht gesagt. Es sei denn, das verflixte Weib hat seinem Bruder eine Nachricht hinterlassen, bevor sie ausgerissen ist. Denn ausgerissen ist sie, Puck, so viel ist klar. Frauen sind so. Sie handeln ohne Rücksicht darauf, ob jemand vielleicht nicht einverstanden ist mit seiner Rolle in ihrem kleinen Drama.“
„Ja, da hast du recht“, pflichtete Puck ihm bei und folgte Beau den Flur entlang in das kleine private Arbeitszimmer. „Sie hätte sich lieber an Mama wenden sollen. Sie liebt Dramen über alles. Doch als ich sie verließ, um nach London zu reisen, wollte sie mit ihrer Truppe zu einer Tournee im Lake District aufbrechen. Ich habe es nicht über mich gebracht, ihr zu sagen, dass sie ein bisschen zu alt für die Rolle der Julia ist. Solange Papa die Truppe finanziert, sucht sie sich ihre Rollen jedoch selbst aus, und niemand widerspricht ihr. Hörst du mir überhaupt zu? Was kramst du da in dem Schrank herum?“
Beau drehte sich zu seinem Bruder um, eine Holzkiste mit einem Paar Duellpistolen in den Händen. Dann öffnete er eine längliche hölzerne Kiste auf der Anrichte und entnahm ihr den Säbel samt Gürtel, den er im Krieg getragen hatte, sowie ein kurzes, gefährlich aussehendes Messer mit Scheide. „Lass das alles bitte nach unten bringen. Den Säbel werde ich vermutlich nicht brauchen, aber das Messer nehme ich auf jeden Fall mit.“
Puck furchte die Stirn, als sein Bruder ihm die Waffen in die Hände drückte. „Wirklich? Soll ich auch noch ein Artilleriegeschütz auftreiben, wenn ich schon mal dabei bin? Du glaubst tatsächlich, dass der Bruder hierher kommt, wie?“
„Ich war ein Mal unvorbereitet, Puck. Das passiert mir nicht noch mal. Und jetzt geh und tu, was du dir vorgenommen hast – bereite deine Rückkehr nach Paris vor. Mag sein, dass die ganze Sache im Sande verläuft, aber das Mädchen weiß Dinge, von denen sie nichts ahnen dürfte, und ich will ihr glauben, bis sie etwas sagt, was mich umdenken lässt. – Verdammt, was für ein Morgen! Hätte ich das gestern Abend gewusst, dann hätte ich nicht so tief mit dir ins Glas geschaut.“
„Ja, ganz recht, gib mir die Schuld. Es war gemein von mir, dir zur Feier deines Geburtstags die Nase zuzuhalten und drei Flaschen Wein in deinen Schlund zu gießen.“
„Für den Fall, dass du hinzufügen willst, die Frau dort unten wäre eine Art Geburtstagsgeschenk der Götter, lass dich warnen: Tu’s nicht.“ Beau ließ seinen Bruder stehen und stieg die Treppe hinunter zu Lady Chelsea, die auf dem Aubussonteppich auf und ab schritt und sich die Handschuhe in die Handfläche schlug.
Sie war, wenn er es recht bedachte – etwas, wofür er ihrer Meinung nach keine Zeit hatte: eine erschreckend schöne Frau. Er erinnerte sich, dass sie schon als Kind eine Schönheit zu werden versprochen hatte, doch er hatte geglaubt, sie würde ihrer Schwester nie das Wasser reichen können. Die Zeit hatte ihn eines Besseren belehrt.
Nach dem Krieg hatte er Madelyn während seiner Besuche in London ein oder zwei Mal gesehen, als sie in einer offenen Kutsche durch den Park fuhr. Die Jahre hatten ihren Tribut gefordert. Madelyn hatte Falten an den Lippen, die mittlerweile nicht mehr prall, sondern verkniffen aussahen, und das beinahe weißblonde Haar ließ sie eher älter erscheinen, statt ihr zu schmeicheln. Ihr Aussehen entsprach ihrem Wesen – sie war eine hochmütige, unverkennbar unglückliche Frau.
Er hatte erfahren, dass sie im Lauf der Jahre Liebhaber gehabt hatte, wobei sie manchmal die Diskretion weitgehend außer Acht ließ, und ihr Ruf wie auch ihr gesellschaftlicher Status hatten darunter gelitten. Daran gab sie ihrem Bruder die Schuld, und seit dem Tod ihres Vaters hatten er und sie kein Wort mehr gewechselt. Wahrscheinlich gab sie auch Beau die Schuld, denn ihr Niedergang hatte erst nach dem Vorfall , wie er selbst seine Demütigung umschrieb, seinen Lauf genommen.
Doch aus Lady Madelyns Problemen zog Beau keine Genugtuung. In seinen Augen hatte Lady Madelyn die gerechte Strafe für ihre Taten erhalten.
Thomas Mills-Beckman allerdings sollte seine Strafe noch am eigenen Leib zu spüren bekommen. Deshalb der Vergleich mit der Katze, die mit der Geldbörse der Maus spielte.
Und jetzt schritt diese rätselhafte und aufreizende junge Frau voller
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