Der Bastard und die Lady
Stadtgrenze von Gateshead nähern, wo er einen ganzen Tag Rast eingeplant hatte, bevor sie zur Grenze vorstießen. Stattdessen waren sie gezwungen, hier anzuhalten, und er musste sich schwer täuschen, wenn dieses Gasthaus nicht ein Unterschlupf für Wegelagerer, Schmuggler und andere Verbrecher war.
Die Geschichte, die er dem Wirt aufgetischt hatte, war seiner Meinung nach geistreich und nahezu genial. Sie waren das Ehepaar Claridge, das mit Freunden auf dem Landsitz „seiner Lordschaft“ weilte – schließlich war in der näheren Umgebung bestimmt irgendeine Lordschaft ansässig. Sie waren beim Ausritt vom Regen überrascht worden und hatten den Pferdeburschen zurück zum Gut geschickt, mit der Botschaft an seine Lordschaft, dass sie am nächsten Morgen zurückkommen würden, da Mrs Claridge sich weigerte, in diesem schlechten Wetter noch einen einzigen Schritt zu reiten.
Mit anderen Worten: Wenn ihr uns die Kehle durchschneidet und uns ausraubt, bringt „seine Lordschaft“ euch auf der Stelle an den Galgen.
Trotzdem wollte er Chelsea zur Sicherheit mindestens eine Stunde vor Sonnenaufgang wecken, damit sie fort waren, bevor es hell wurde. Und er würde mit seinem Messer unter dem Kopfkissen und den Pistolen auf dem Nachttisch schlafen.
Beau warf einen Blick auf den Badezuber. Worauf wartete er? Das Wasser wurde nicht wärmer. Ein schlechter Zeitpunkt für einen verspäteten Anfall von Sittsamkeit.
Er sah wieder zu Chelsea hinüber, die ihm immer noch den Rücken zuwandte. Jetzt striegelte sie ihr Haar mit den gespreizten Fingern und hielt dabei die langen Locken über das spärliche Feuer. Die Stille im Zimmer war ohrenbetäubend.
Er war ein Mann. Sie war eine Frau. Sie waren allein. Sie war kaum bekleidet. Er war beinahe nackt.
Wenn es ein Rezept für Katastrophen gibt, dann war es diese Situation. Nein, nicht gerade für eine Katastrophe. Schließlich würden sie ja heiraten. Sie würden die Ehe eben ein paar Tage vorher vollziehen. Was konnte es schon schaden, nach allem, was sie bereits überstanden hatten?
Herrgott, ich bin ein Narr.
Er knöpfte seine Wildlederhose auf, streifte sie ab und stieg dann so rasch in den Zuber, als wäre er die Jungfrau in diesem Zimmer.
Und er trat auf etwas. Auf die Seife. Noch bevor der knappe, deftige Fluch ihm halb über die Lippen gekommen war, lag er rücklings in dem kleinen Zuber, den Kopf unter Wasser, die Beine in die Luft gestreckt.
„Oliver!“
„Nein!“, brüllte er beinahe und richtete sich mühsam zum Sitzen auf. „Mir fehlt nichts.“ Er wischte sich das Wasser aus den Augen und sah sich hastig nach ihr um. Sie war aufgesprungen und starrte ihn mit großen Augen an. Er zog die Knie bis an die Brust. „Wirklich. Mir fehlt nichts.“
„Bist du ausgerutscht? Es hörte sich an, als hättest du dir den Kopf gestoßen. Ist wirklich nichts passiert?“
„Jetzt, da du es erwähnst“, sagte er, hob eine Hand an den Hinterkopf und verzog das Gesicht, als er die kleine Beule ertastete, die wahrscheinlich noch gehörig wachsen würde. Er blickte auf seine Knie, die aus dem Wasser ragten. Nackte Knie waren nicht halb so skandalös wie die Alternative, wenn er bäuchlings in dem Zuber gelandet wäre. „Nein, mir ist nichts passiert. Ich bin auf die Seife getreten, sonst nichts. Geh … mach einfach weiter.“
„Ich habe versucht, mein Haar zu trocknen“, erklärte sie und starrte ihn immer noch an, „bis so ein großer Trottel mit Badewasser spritzen musste, als wäre ein riesiger Stein in einen Teich geplumpst. Sieh nur, was du angerichtet hast. Wir hätten ebenso gut draußen im Regen bleiben können.“
„Chelsea, bitte dreh dich um“, sagte er, als sie näher kam, sein nasses Hemd aufhob, es betrachtete und wieder fallen ließ. Wahrscheinlich konnte er dankbar sein, dass sie ihn nicht mit den Ärmeln strangulierte. „Wir sind nicht verheiratet. Das hier gehört sich nicht. Selbst wenn wir verheiratet wären, würde ich die Situation als ungehörig betrachten.“
„Ungehörig? Ach, Unsinn, Oliver. Wenn du dich darum scheren würdest, was sich gehört und was nicht, dann wärst du nicht hier, oder? Du bist im Nachteil – was nicht heißt, dass ich etwas gesehen hätte. Na ja, deine Knie. Und deinen Oberkörper. Und für einen ganz kleinen Moment, wirklich, deinen …“
„Weib, um Himmels willen!“
„Das stört dich jetzt, wie?“, sagte sie mit glänzenden Augen. „Die Ungehörigkeit. Aber von dir war es nicht ungehörig, ins
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