Der Bastard und die Lady
Gretna Green müssen wir keine Ziellinie überqueren, an der Thomas Halt machen, umkehren und sich als Verlierer akzeptieren muss. Es wird Konsequenzen haben.“
Hastig wischte sie sich noch einmal über die Wangen, als jemand an die Tür klopfte. Sie hörte Beau leise um Einlass bitten.
„Einen … einen Moment bitte“, rief sie, lief rasch zum Waschtisch und schöpfte sich kaltes Wasser ins Gesicht, bevor sie Tür entriegelte und öffnete. „Ich habe … du hast mich geweckt.“
Er ging an ihr vorbei, und im selben Moment bemerkte sie, dass das Bett zwar aufgeschlagen war, sie aber offensichtlich nicht darin gelegen hatte. Dabei hatte die Kaminuhr vor einiger Zeit drei geschlagen.
Er zog sie nicht damit auf. „Ich konnte auch nicht schlafen. Puck dagegen schläft wie ein Toter, was beweist, dass er entweder ein gutes Gewissen oder nicht die geringsten Skrupel hat.“
Die Decke verrutschte, und Chelsea zog sie wieder fest um ihre Schultern und hielt sie vor ihrer Brust geschlossen. „Willst du damit sagen, dass wir keines von beiden haben?“
„Nein“, antwortete Beau und setzte sich auf die Kante des Himmelbetts. „Ich glaube, wir haben beide Skrupel.“
„Aber kein gutes Gewissen, ich zumindest.“ Sie nickte. „Woher wusstest du es?“
Er streckte ihr die Hände entgegen, und sie ging zu ihm, schmiegte sich zwischen seine gespreizten Beine und legte ihm die Hände auf die Schultern. Er war so wichtig für sie geworden. Ob er das wusste? Sie waren erst seit wenigen Tagen zusammen, und schon konnte sie sich ein Leben ohne ihn nicht mehr vorstellen. Vielleicht liebte sie ihn sogar. Kein Wunder, dass sie außer sich vor Angst war. Sie hatte noch nie geliebt, wusste nicht, wie sie reagieren, was sie sagen sollte.
Sie konnte es ihm nicht sagen. Nicht solange sie nicht wusste, wie er auf eine derartige Erklärung reagieren würde. Womöglich würde er sogar sagen, dass sie sich täuschte, dass körperliche Lust überhaupt nichts mit Liebe zu tun habe. Und er könnte recht haben. Denn sie wusste es nicht, konnte es nicht wissen.
Doch zunächst einmal war er bei ihr. Das reichte für den Augenblick.
Die Decke glitt zu Boden.
Beau sah Chelsea mitfühlend an. „Du hast gedacht, er hätte inzwischen aufgegeben, nicht wahr? Kaum hatte Jack gesagt, dass er die Kutsche deines Bruders gesehen hatte, wurdest du ganz still. Du hast gedacht, er wäre mittlerweile auf dem Heimweg, im Glauben, wir wären schneller gewesen als er. Du hast gedacht, es wäre vorbei.“
Sie nickte und mied seinen Blick. „Er hat mich im Grunde nie leiden können. Warum sollte ich ihm plötzlich so wichtig sein?“
Beau streichelte ihr über die Wange. „Ehrlich? Hier geht es nicht um dich, Chelsea, von Anfang an nicht. Es geht um Thomas, um die Auswirkungen deines Handelns auf ihn. Und auf Madelyn. Dass ich eine Rolle dabei spiele, erhöht noch das Ausmaß seiner Schande.“
„Und Madelyns“, ergänzte Chelsea leise. „Sie hätte dich vor all den Jahren haben können. Stattdessen bekomme ich dich.“
„Kaum jemand würde das als großen Gewinn betrachten“, sagte er lächelnd. „Aber jetzt denkst du, uns stehen Gewalttätigkeiten bevor, nicht wahr?“
Sie seufzte. Aus tiefster Seele. „Ist es so?“
„Von meiner Seite aus nicht. Von meinem Standpunkt aus habe ich bereits gewonnen, und zwar auf mancherlei unverhoffte Weise. Was dein Bruder zu akzeptieren bereit ist? Das weiß ich nicht. Wie tief sitzt seine neu erworbene Frömmigkeit?“
„Wie ich gesagt habe, dadurch ist er nur noch schlimmer geworden. Früher hat er geschimpft, gebrüllt und mit Sachen geworfen. Jetzt redet er sanft und angeblich vernünftig, sagt aber ständig die hirnverbranntesten Dinge. Dann erinnert er mich daran, dass Gott ihn vor dem Tode bewahrt hat und jetzt in ihm lebt und Wohlgefallen an ihm und seinen Taten hat. Ein derartiges Übermaß an Quatsch, und alles dank Francis Flotley. Es wurde mir unerträglich, mit Thomas zu leben und zuzusehen, wie er mehr und mehr zu Francis Flotleys Handlanger wurde. Und dann zu verlangen, dass ich den Mann heirate ?“
Sie seufzte erneut. „Aber ich hätte dich niemals in die Sache hineinziehen dürfen. Das war egoistisch.“
„Jetzt überschätzt du dich. Chelsea, ich tue nichts, was ich nicht tun will. Du bist mit einem Vorschlag zu mir gekommen, und ich habe ihn angenommen. Ich trete nicht von einem einmal gegebenen Wort zurück.“
Ja, das hatte sie schon selbst erkannt. Sie nestelte an den
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