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Der Beethoven-Fluch

Der Beethoven-Fluch

Titel: Der Beethoven-Fluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M.J. Rose
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keinerlei Verbindung hatte – ein Abbild einer Fremden mit einem gequälten, gehetzten Blick. Dabei wusste Meer rein logisch, dass es ihr unmöglich war, Verzweiflung und Leid einer Frau zu empfinden, die vor über zweihundert Jahren gelebt hatte.
    Die Lobby war so voll, dass es Meer fast nicht gelang, sich durch die dicht gedrängte Menschenmenge zu zwängen. “Ich warte im Hauptsaal auf dich”, hatte ihr Vater am Abend vorher erklärt. Er hatte aus der Schweiz angerufen und ihr mitgeteilt, er sei länger als beabsichtigt geblieben, weil Dr. Schmettering bedauerlicherweise gestorben sei. Nun mussten also bereits zwei Mordfälle aufgeklärt werden.
    Während Meer sich zwischen den Sesseln, Sofas, Kommoden und mit kleinen Kunstobjekten dekorierten Tischen hindurchwand, hielt sie angestrengt Ausschau nach ihrem Vater, der die Menge eigentlich um Haupteslänge überragen musste. Als kleines Mädchen hatte sie seine baumlange Gestalt stets als beruhigenden Orientierungspunkt empfunden, an dem sie sich ausrichten konnte, damit sie sich nicht verirrte. Jedenfalls nicht mehr, als sie es ohnehin schon getan hatte.
    Als sie ihn schließlich entdeckte, wies er gerade mit eleganten Gesten auf eine Vitrine. Anscheinend hielt er einen Vortrag vor einem Kreis von Interessierten, die wie gebannt an seinen Lippen hingen. Sein Haar kam ihr grauer vor als sonst; unter den Augen zeigten sich bläuliche Schatten. Wie alt war er jetzt? Sie musste erst überlegen. Sechsundsechzig? Nein, ein Jahr älter. Tief in ihrer Magengrube regte sich so etwas wie Besorgnis. Ihre Mutter war bereits vor dem sechzigsten Lebensjahr gestorben, ihr Vater hingegen eigentlich kerngesund. Dass er ein wenig mitgenommen wirkte, war kein Wunder … Die letzten achtundvierzig Stunden hatten es schließlich in sich gehabt.
    Da sie ihn nicht bei seinem Vortrag stören wollte, wartete sie ab, den Rücken gegen die Wand gelehnt. Sie hatte außerdem keine Lust, die Spielekassette im Beisein von lauter Schaulustigen zum ersten Mal zu betrachten. War es überhaupt das erste Mal?
    Einstein sagte einmal, er halte es für möglich, dass man zur selben Zeit an zwei unterschiedlichen Orten sein könne – allerdings in unterschiedlichen Dimensionen. Meers Vater hatte versucht, dieses Zitat als Argument gegen Meers Reinkarnationskritik ins Feld zu führen. Damals hatte sie sich davon nicht beeindrucken lassen, auch wenn Einstein, der ja hervorragend Geige spielte und als Musikliebhaber für die Wunder des Universums sehr empfänglich war, zu ihren großen Vorbildern zählte.
    Jetzt hingegen kam sie doch ins Grübeln. Seit sie sich die Schuhe auf einer nichtexistenten Türmatte abgetreten hatte, die sie zuvor aber so deutlich gesehen hatte wie ihre eigenen Füße, bekam ihre Theorie der Pseudoerinnerungen erste Risse. Diese kleine Begebenheit ließ sich durch nichts erklären, was sie über Gedächtnis und Wirklichkeit gelernt hatte.
    Bedeutete Einsteins Theorie dann auch, dass es möglicherweise einen Bewusstseinstransfer von einer Form von Materie zu einer anderen gab? Etwa von einem Menschen in einer bestimmten Zeitzone zu einem aus einer anderen Epoche?
    “Hallo!” Sebastian kam herangeschlendert und ruckte mit dem Kopf hinüber zu der Stelle, wo ihr Vater noch Hof hielt. “Haben Sie sie schon gesehen?”
    “Ich wusste gar nicht, dass Sie heute auch kommen.” Meer verspürte eine sonderbare Mischung aus Freude und Beklommenheit.
    “Ich habe erst heute Nachmittag Probe, da wollte ich mir die Gelegenheit, eine echte Beethoven-Reliquie zu sehen, nicht entgehen lassen.”
    “Da sind Sie anscheinend nicht der Einzige.” Sie wies auf die Menschenmenge.
    “Es handelt sich ja auch um eine bedeutende Entdeckung, da ist jedermanns Neugierde geweckt. Besonders wegen Antonie Brentano. Es geht nicht nur um die Musik, sondern auch um die Liebe.” Er bedachte sie mit einem herzlichen Lächeln. Eigentlich hätte es sie nicht weiter stören dürfen, aber es kam ihr unheimlich vor.
    “Ach, ehe ich es vergesse …” Sebastian fasste in die Jackentasche und zog einen kleinen weißen Umschlag heraus. “Das hier sind Freikarten aus meinem Orchesterkontingent, für ein Galakonzert, das am Donnerstagabend gegeben wird. Sie und Ihr Herr Vater sind herzlich eingeladen. Wenn Sie schon mal hier sind, sollen Sie Wien doch wenigstens ein Mal im Festgewand erleben. Dann ist die Stadt umwerfend.”
    “Herzlichen Dank. Was ist denn der Anlass?”
    “Eine internationale Tagung, die

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