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Der Beethoven-Fluch

Der Beethoven-Fluch

Titel: Der Beethoven-Fluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M.J. Rose
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sie sie schon einmal gesehen hatte. Nicht etwa in einem vorherigen Dasein, wie ihr Vater und Malachai ihr einreden wollten, sondern zu einem bestimmten Zeitpunkt in ihrer Vergangenheit.
    Doch in ihrem Kopf rührte sich nichts. Das Einzige, was ihr auffiel, war, dass eines der Kartenspiele Ähnlichkeiten aufwies mit einem Kartenstapel aus Malachais Sammlung. Als Kind hatte sie immer, kaum dass sie in die Sprechstunde kam, nach denen gefragt und während der Sitzungen damit gespielt. Sie hatte sogar mithilfe dieser Karten ein eigenes Spiel entwickelt. Wie ging das gleich noch?
    Jeremy holte einen ziemlich vollen Schlüsselring hervor und entriegelte die Vitrine. “Wir bringen das am besten mal in einen privaten Besichtigungssaal. Da sind wir unter uns und können uns das gute Stück in Ruhe zu Gemüte führen.”
    Als er die Schatulle herausnahm, trat Meer einen Schritt vor, griff – fast wie in Trance – nach einem der Kartenspiele und begann, die Karten aufzudecken. Ohne auf den Saal ringsum zu achten, bloß noch auf das Gefühl der steifen Pappe in ihren Händen konzentriert, zählte sie die Herz-Karten durch. Sie waren vollzählig. Keine war doppelt vorhanden. Genau das war das Spiel, das sie mit Malachais Karten immer gespielt hatte.
    “Meer!”, mahnte ihr Vater. “Nun warte doch ab, bis wir ungestört sind!”
    Ein ohrenbetäubendes, markerschütterndes Heulen zerriss den Augenblick.
    “Was ist das?”
, wandte sie sich an ihren Vater, erschreckt von dem Lärm und ohne zu merken, dass sie die Frage auf Deutsch gestellt hatte.
    “Der Feuermelder”, schrie Jeremy über das Getöse hinweg. “Vermutlich Fehlalarm. Passiert …”
    Der Rauch kam plötzlich; dicke, wallende Qualmwolken, die sich nach allen Seiten ausbreiteten und nach Meer, nach Sebastian, nach Jeremy griffen, während die Sirene unvermindert weiter jaulte. Jeremy hustete, Meer brannten die Augen, und dann packte auch sie der Hustenreiz. Unvermutet kamen ihr die Tränen. Das Geschrei der Menge mischte sich mit dem Gejaule der Brandsirene. In diesem Durcheinander wurde Meer von einem vorüberhastenden Besucher angestoßen, sodass sie das Gleichgewicht verlor. Mit ausgestreckten Händen vergeblich nach einem Halt tastend, kippte sie hintenüber und stieß im Fallen mit der Schulter gegen eine Ecke der Vitrine. Ein stechender Schmerz, verstärkt noch durch den dichten, beißenden Qualm, fuhr Meer dermaßen durch die Glieder, dass ihr regelrecht übel wurde.
    Sie ahnte, dass sie sich möglicherweise böse wehgetan hatte, doch das durfte sie jetzt nicht kümmern … Sie musste die Schatulle in Sicherheit bringen … musste sich aufrappeln, das Kästchen an sich reißen, es vor dem Feuer retten! Blindlings fuchtelnd, ertastete sie die Kante des Vitrinenpodests und klammerte sich daran fest, schon darauf gefasst, dass es vermutlich glühendheiß war. Doch es fühlte sich kühl an. Wie war das möglich? Es brannte doch!
    In diesem Moment wurde Meer klar, dass auch die Hitze und der Brandgeruch fehlten. Ihr blieb jedoch keine Zeit, diesem Umstand auf den Grund zu gehen. Jetzt galt nur noch eins: die Schatulle in Sicherheit zu bringen! Denn nach Meers Überzeugung enthielt sie die Schlüssel zum Versteck der magischen Flöte. Und diese wiederum brauchte sie, wenn sie ihren Mann retten wollte – Caspar, der möglicherweise krank und mutterseelenallein irgendwo in Indien hockte und auf sie zählte. Mit ausgestreckten Fingern tastete sie in der Vitrine nach der Kassette, erst links, dann rechts. Der Glaskasten war nicht groß. Es war nichts drin.
    Durch tosenden Regen und Wind hindurch hörte sie eine Männerstimme, die nach ihr rief und ihr Einhalt gebot. Aber sie durfte nicht anhalten! Ihr Pferd reagierte sofort auf sie und preschte im Galopp davon. Hier im tiefen Forst würde ihr Verfolger sicherlich Schwierigkeiten bekommen. Zwar mochte er ein ausgezeichneter Reiter sein, aber sie war im Vorteil: Sie kannte den Wald, er nicht. Da plötzlich knallte ein Schuss.
    Nein, kein Schuss – der Brandalarm! Was ging hier vor? Der Rauch lichtete sich, doch ihre Augen tränten immer noch so, dass sie kaum klar sehen konnte. Schließlich nahmen Umrisse und Gestalten menschliche Formen an, manche auch die von Möbeln. Möbel? Menschen? Wo war der Wald geblieben? Sie war doch auf der Flucht vor einer schrecklichen, unmittelbaren Gefahr durch den Wald galoppiert! Um die Schatulle in Sicherheit zu bringen!
    “Ist dir auch nichts passiert?” Ihr Vater half ihr auf.

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