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Der Beethoven-Fluch

Der Beethoven-Fluch

Titel: Der Beethoven-Fluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M.J. Rose
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Erinnerungen an Vorleben herbeiführen.” Beethoven fuhr mit dem Zeigefinger über die Schnitzereien. Völlig vertieft in die zusammenhanglosen Schnörkel und Schleifen, schüttelte er ungläubig den Kopf bei dieser Vorstellung. “Stellen Sie sich das vor! Die Idee fasziniert mich bereits seit Langem – seit ich erstmals die Übersetzung der aus Indien mitgebrachten Schriften las.”
    “Haben Sie die Melodie denn schon ergründen können?” Falls er bejahte, würde das ganze Ränkespiel schon bald ein Ende haben, und sie selber konnte dann die Expedition zur Rettung ihres Mannes ausrüsten. Endlich.
    “Offenbar glaubt alle Welt, das sei für mich eine Kleinigkeit.” Stirnrunzelnd und mit offenkundigem Missfallen musterte Beethoven die Flöte. “Dabei weiß ich nicht mal, wo ich mit der Deutung dieser Zeichen anfangen soll. Sie können sich nicht vorstellen, wie oft ich das verdammte Ding am liebsten an die Wand geworfen hätte! Die Flöte ist so zerbrechlich, dass sie in tausend Stücke zersprungen wäre. Aber dann würde sie endlich aufhören, sich über mich lustig zu machen. Mich zum Narren zu halten!”
    Major Wells hatte unmissverständlich darauf hingewiesen, dass die Rothschilds nur dann für die Flöte zahlen würden, wenn die Melodie mitgeliefert wurde. Das Instrument an sich bedeutete ihnen nichts. Den Mitgliedern der Familie, allesamt in der Kabbala belesen, kam es in erster Linie darauf an, ihre Vorleben erforschen zu können. Margaux fand es reichlich paradox, dass der Beauftragte der Familie eins der zehn Gebote brach, damit die Familie umso eingehender ihrer religiösen Überzeugungen frönen konnte.
    “Glaubte Ihr Mann an Wiedergeburt?”
    “Er hat mir mal gesagt, er habe möglicherweise in einem vorherigen Leben die Erinnerungswerkzeuge eigenhändig versteckt. In diesem Dasein müsse er gut aufpassen, wohin er sie bringt. Ich weiß zwar nicht, ob er das nur im Spaß sagte, aber auf jeden Fall glaubte er, es sei seine Bestimmung, die Werkzeuge aufzustöbern.” Zu ihrer Schande spürte Margaux, wie ihr die Tränen in die Augen stiegen.
    Beethoven trat näher und berührte sie unbeholfen an der Schulter. “Schlimm, wenn man einen geliebten Menschen verliert.”
    Sie nickte.
    “Rein rechtlich gesehen gehört die Flöte Ihnen, nicht wahr?”
    Ja!
, hätte sie am liebsten geschrien.
Ja, und es würde die Dinge erheblich vereinfachen, wenn Sie mir die Flöte gäben, statt dass ich sie Ihnen stehlen muss!
    Doch mehr als ein Kopfnicken brachte sie nicht zuwege.
    “Wollen Sie sie einen Moment halten? Vielleicht fühlen Sie sich dann dem Manne näher, dessen Herz sie fürderhin in sich tragen.” Beethoven drückte ihr das Instrument in die Hand.
    Wie viele höhere Töchter, so hatte auch Margaux in jungen Jahren Klavier und Kompositionslehre gelernt. Leider hatte sie damals keinerlei Bezug zur Musik verspürt, und das Üben war ihr ein Gräuel gewesen. Jetzt aber, als sich ihre Finger um das kreideweiße, aus Knochen gefertigte Instrument legten, da überlief sie ein Frösteln. Zum ersten Mal in ihren fünfunddreißig Lebensjahren vernahm sie im Kopf Musik, die von innen kam – nicht etwa von ihr komponiert, sondern irgendwie entstanden in den hintersten Winkeln ihres Denkens. Wunderschön und beängstigend zugleich. Sie musste die Melodie erfassen, sich die Tonfolge einprägen, Beethoven davon berichten, doch als sie versuchte, sich Kadenz und Klang zu merken, da war alles schon wieder weg.
    “Sie gucken ja, als hätten Sie ein Gespenst gesehen”, bemerkte Beethoven, der sich die Weinflasche griff und direkt daraus trank, wie es seine Gewohnheit war.
    “Nein, nicht gesehen.”
    Der Ausdruck auf ihrem Gesicht ließ ihn mitten beim Trinken innehalten und sie aufmerksam mustern.
    “Sondern gehört.”

29. KAPITEL
    W ien, Österreich
    Montag, 28. April – 10:15 Uhr
    Am folgenden Morgen kontrollierten uniformierte Sicherheitsleute die Schlange von potenziellen Bietern und Schaulustigen, die darauf warteten, einen Blick auf
Beethovens Spieleschatulle
– so nannte die Presse die Kassette – zu werfen. Meer nannte einem der Wachen ihren Namen und wurde dann an der Menschentraube vorbei direkt ins Gebäude geleitet. Sie war heilfroh darüber, denn nach zwei schlaflos verbrachten Nächten war sie übermüdet, fühlte sich nicht wohl und stand völlig neben sich. Als sie sich beim Anziehen im Spiegel begutachtet hatte, da war ihr, als stünde eine ihr unbekannte Person vor ihr, zu der sie

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