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Der Beethoven-Fluch

Der Beethoven-Fluch

Titel: Der Beethoven-Fluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M.J. Rose
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über den Inhalt, indem er die Kamera langsam über jedes einzelne Fach bewegte.
    “Und jetzt zeigen Sie uns bitte die Whist-Marker, am besten in Nahaufnahme.”
    Pertzler senkte den Blick auf die unterschiedlichen Spielsteine. Er hatte keine Ahnung, welche davon Whist-Marker waren. Die ganze Art des Käufers ging ihm gegen den Strich; da hätte er nur ungern gefragt, wie solche Marker denn aussahen.
    “Die Perlmuttstäbchen. Rechts von Ihnen.”
    Pertzler bewegte die Kamera nach rechts, zoomte auf die angewiesenen Stellen und fragte sich, wieso der Sprecher die Mehrzahl benutzte. War das “uns” nur ein Stilmittel? Oder ein Vorwand, um den Eindruck zu erwecken, es gehe nicht um einen Einzelnen, sondern eine Gruppe? Aber so dumm, sich solchen Spekulationen hinzugeben, war Pertzler nicht. Er war eben ein solches Ass in seinem Job, weil er sich nicht von Nebensächlichkeiten ablenken ließ. Bei diesem Auftrag hatte er sich allerdings einige Schnitzer erlaubt. Zwei Menschen waren draufgegangen. Eine Blamage – aus verschiedenen Gründen, besonders aber deshalb, weil Tote die Behörden auf den Plan riefen, und zwar derart massiv, wie das bei Raub gemeinhin nicht der Fall war.
    “Jetzt zeigen Sie uns das Markierbrett”, befahl der Kunde. “Das ist eine Vorrichtung zum Punktezählen beim Cribbage.” Bei Cribbage handelte es sich um ein Kartenspiel, das man bis ins 17. Jahrhundert zurückverfolgen kann, das wusste Pertzler. “Im Überblick haben wir das nicht gesehen; es müsste aber da sein. Vermutlich aus Gebein oder Holz. Mit etlichen Löchern drin.”
    “Das hier, nehme ich an, hm?” Pertzler richtete den Scheinwerfer neu aus, sodass das Licht auf die linke Ecke fiel. Anschließend ließ er die Kamera über die Oberfläche eines elfenbeinernen, vor Alter vergilbten Gegenstandes wandern.
    “Wunderbar. Jetzt noch vier Kartenspiele. Mit Goldrand. Können wir uns die alle mal genauer ansehen?”
    Pertzler fokussierte die Linse nacheinander auf die vier Blätter.
    “Wird jetzt alles leider ein wenig beschwerlich, aber Sie müssen noch jedes Kartenspiel für sich durchgehen. Zeigen Sie uns jede einzelne Karte, Vorder- und Rückseite. Wir machen von jedem ein Foto.”
    “Ist ja Ihre Zeit. Sie haben dafür bezahlt.”
    Der Kunde fand das wohl lustig, denn er kicherte. “Allerdings, das haben wir.”
    Die Aufnahmen dauerten gut zwei Stunden und erwiesen sich, wie schon vom Auftraggeber angedeutet, als mühselige Angelegenheit.
    “So, das wär’s”, sagte der Mann schließlich. “Wir sind fertig.”
    “Wohin soll ich die Ware liefern?”
    “Vorläufig wäre es uns am liebsten, wenn Sie beides erst mal behielten, sowohl die Spieleschatulle als auch den Brief, den Sie in Genf gefunden haben. Geht das? Wir nehmen an, bei Ihnen sind sie in sicheren Händen.”
    Normalerweise war Pertzler auf Scheidungsfälle spezialisiert, genauer gesagt auf Wiederbeschaffung von Wertgegenständen aus Zugewinn. In erster Linie raubte er Schmuck und Kunstgegenstände, sei es von Ehemännern, die ihren Verflossenen nicht das komplette Tafelsilber überlassen wollten, oder sei es von Gattinnen, denen daran gelegen war, dass ein Familienerbstück in der Familie blieb. Dass er von einem – oder mehreren – Kunden gebeten wurde, das Diebesgut vorerst aufzubewahren, war äußerst ungewöhnlich.
    “Wie lange?”
    “Eine Woche. Höchstens. Bei der Gelegenheit gleich die Frage: Nehmen Sie auch Beschattungsaufträge an?”
    “Selbstverständlich, ja.”
    “Sie müssten aber sofort loslegen.”
    Das Honorar wurde ausgehandelt, und dann beschrieb der Auftraggeber, wer observiert werden sollte und wie, wann ein Zwischenbericht fällig und welche Telefonnummer im Notfall anzurufen war. “Hinterlassen Sie uns eine Nachricht, falls Sie Kontakt zu uns aufnehmen müssen.”
    “Was stellt denn einen Notfall dar?”
    “Das überlassen wir Ihrem Urteilsvermögen.”
    Mit diesem kryptischen Hinweis beendete der Kunde seinen Marathonanruf und legte auf. Pertzler erhob sich vom Schreibtisch und reckte sich so, wie es seine Katze immer nach einem ausgedehnten Schläfchen in der Sonne tat. Jetzt musterte sie ihn von ihrem Platz auf dem Sofa. Eine schwarze Katze mit weißen Flecken. Die Wohnung roch schon ganz verräuchert von den vielen Zigaretten, die er während des Telefonats gequalmt hatte. Er riss das Fenster auf, blieb eine Weile davor stehen und schaute in die Sonne, die hinter dem Horizont versank. Die Tageszeit schlug ihm stets aufs

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