Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Beethoven-Fluch

Der Beethoven-Fluch

Titel: Der Beethoven-Fluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M.j. Rose
Vom Netzwerk:
stand Bedauern in seinen Augen, und seine Stimme klang todernst. “Pardon, aber dieser ganze Plan zeigt mittlerweile Auswirkungen, die weit über Ihre ursprünglichen Vorstellungen hinausgehen. Meine Regierung kann es sich nicht erlauben, dass daraus eine Staatsaffäre wird. Begreifen Sie denn nicht? Falls Sie sich weigern, Beethoven die Flöte zu entwenden und sie Zar Alexander zu verkaufen, könnte ihn das so sehr beleidigen, dass er die Konferenz verlässt. Dasselbe droht womöglich, wenn Sie sie ihm doch verkaufen, das Instrument aber nicht funktioniert. Also muss ich die Sache jetzt selber in die Hand nehmen. Ach, hätten Sie sich doch nur an unsere Abmachungen gehalten! Als wir verhandelten, da machte ich Ihnen ein redliches Angebot …”
    “… das auf einer Lüge beruhte! Sie haben behauptet, mein Gatte sei noch am Leben!”
    Major Wells ignorierte den Vorwurf. “Nun laufen wir Gefahr, dass sich daraus eine gefährliche politische Krise entwickelt. Das werde ich keinesfalls zulassen. Ich muss alles haben, was mit der vermaledeiten Flöte und der Melodie in Verbindung steht. Die Schatulle eingeschlossen. Also, her damit!”
    “Niemals!” Sie tat dies alles Beethoven zuliebe. Sie hatte nicht vor, ihn zu enttäuschen.
    Als sie bemerkte, wie Wells den Finger um den Abzugshahn krümmte, feuerte sie selber ihre Pistole ab und hieb gleichzeitig ihrem Pferd Pythagoras die Fersen in die Weichen. Pythagoras bäumte sich auf – teils aufgrund des Knalls, teils von ihrem Fersenhieb – und sprengte los. Margaux gab ihm die Zügel frei und ließ ihn im vollen Galopp in Richtung Anwesen preschen. Zurückschauen konnte sie nicht. Sie hatte keine Ahnung, ob sie den britischen Offizier getroffen hatte oder nicht, und es war ihr auch einerlei. Hauptsache, sie schaffte es, zum Herrenhaus zu entkommen und Beethovens Geschenk seiner Freundin Antonie Brentano zu übergeben.
    Sie sah auch nicht, wie Wells, wenngleich in der linken Schulter verwundet, den rechten Arm hob und auf die davonpreschende Reiterin zielte.
    Den Mündungsknall hielt sie zunächst für einen Donnerschlag. Als sie jedoch die Kugel spürte, die sich tief in ihre Seite bohrte, da war ihr, als würde ihr jemand eine lodernde Fackel an die Haut halten. Zweierlei nur durchdrang noch ihr Bewusstsein: das Brennen sowie der Gedanke, dass sie durchhalten musste, bis sie das Haus erreicht, bis sie die Spielekassette übergeben hatte. Das Geheimnis, das ihren Mann das Leben gekostet hatte, es musste unbedingt gewahrt werden. Drüben im Haus würde man ihr helfen, die Schmerzen lindern. Nur noch ein kurzes Stück!
    Hinter ihr in einem Baum tirilierte ein Vogel. Erstaunlich, ausgerechnet jetzt, wo sie bei Blitz und Donner quer durch einen regendurchtränkten Wald galoppierte! Während sie sich noch darüber wunderte, schweiften ihre Gedanken zu Beethoven. Zur Flöte. Zu ihrem Geheimnis. Zu ihrem Ehemann. Er hielt ihre Hand in seiner.
    Sebastian holte tief Luft, bevor er ansetzte, um die Melodie noch einmal zu spielen. Der kurze Moment der Stille riss Meer in die Gegenwart zurück; sie fand sich auf dem Saalboden kauernd, umgeben von leeren Sesseln. Sie musste hoch und hin zur Bühne, musste Sebastian stoppen! Das Durcheinander ringsum nahm immer chaotischere Formen an, denn mehr und mehr Besucher wurden von grausigen Erinnerungen heimgesucht. Mühsam stemmte Meer sich hoch und schaute sich um. Nach wie vor waren die Gänge verstopft von fliehenden Menschenströmen, aber ihr blieb keine Wahl, trotz ihrer Benommenheit, trotz ihrer Schwindelgefühle. Margaux war tödlich getroffen, und Meer bezweifelte, ob sie ihren Tod, die Qual, den Kummer würde ertragen oder gar überleben können.
    Unfähig, sich noch aufrecht im Sattel zu halten, war Margaux über den Pferdehals gesackt und klammerte sich mit beiden Händen an Pythagoras’ Mähne fest. Langsam aber schwanden ihr die Kräfte. Die Schusswunde schmerzte so grausam, dass Margaux am liebsten in Ohnmacht versunken wäre, aber ein letzter Rest von Verstand hämmerte ihr ein: Nicht aufgeben! Sie würde sonst aus dem Sattel stürzen. Und was dann? Dann holte Wells womöglich Pythagoras ein und raubte die Kassette! Oder schlimmer noch: Vielleicht würde er gar das Pferd niederschießen, um an die Schachtel zu gelangen!
    Also biss sie die Zähne zusammen und versuchte, sich zu überlegen, was sie bei der Ankunft am Hause sagen solle – möglichst eine ganz knappe Erklärung. Beethoven ging es ja nicht um Worte; ihm war

Weitere Kostenlose Bücher