Der beiden Quitzows letzte Fahrten
er setzte die Laterne auf den Boden und suchte sich unter den Schlüsseln den passenden aus, um die Fesseln von des Mannes Gliedern zu lösen. Erstaunt sah dieser ihm zu.
»Wahrhaftig, Ihr scheint die Wahrheit gesprochen zu haben! Sagt, seid Ihr ein Mensch oder ein Engel?«
»Ein Mensch, wie Ihr, bin ich; aber haltet still, damit wir nicht säumen, wir haben keine Zeit!«
»Dann sagt mir jetzt nur das Eine: Wer hat Euch erlaubt, meine Banden wegzunehmen?«
»Niemand. Ich bin heimlich in das Schloß gedrungen, um einen edlen Ritter zu befreien, und stand vorhin an Eurer Thür, als dieselbe geöffnet war. Da nun der Ritter frei ist, sollt auch Ihr es sein.«
»Ihr wißt aber nicht, wer ich bin?«
»Nein. Ihr bedürft meiner Hülfe, und ich biete sie Euch.«
»Du braver junger Mann, auch ich kenne Dich nicht,« rief der Gefangene; er stand jetzt von den Fesseln befreit grad und aufrecht vor Detlev, dessen Hände er erfaßt hielt, »aber Du sollst mich kennen lernen und meinen Dank empfinden, so lang mein Auge offen bleibt und weit darüber hinaus!«
»Sprecht nicht von Dank, sondern eilt, daß Ihr von hinnen kommt. Geht hier nach vorn, da steht der Ritter, um den Ausgang zu behüten, und Ihr mögt mit ihm auf mich warten!«
Nun klopfte er an jede der anderen Thüren, welche sich in dem Gange befanden und frug, ob Jemand hinter ihnen sich befinde, der frei zu sein wünsche. Bei allen, außer der letzten, war dieses Klopfen vergeblich, dort aber ertönte eine Antwort, die allerdings wegen der Dicke und Festigkeit des Verschlusses nicht deutlich verstanden werden konnte. Nach langem Bemühen gelang es ihm, zu öffnen, und kaum hatte er die Thür zurückgezogen, so traten zwei Männer mit solcher Eile in den Gang, daß sie ihn fast umgerissen hätten.
»Ist es möglich, was wir haben gehört,« rief der Eine, »daß der Gott unserer Väter schickt seine Jerubim und Seraphim, welche klopfen an die Thüren der Hölle, um zu befreien die frommen Männer Aron Itzig und Veit Schmuel aus den Schatten des Todes und der Finsterniß?!«
»Schreit nicht so laut,« raunte ihnen der Jerubim mit dem Schlüsselbunde zu, »sonst stecke ich Euch auf der Stelle wieder hinein!«
»Um Gott, Herr Ritter, was Ihr doch könnt machen für einen Spaß mit zwei armen Juden aus der Stadt Gardelegen! Ihr klopft an die Thüren, um zu erlösen die Gefangenen, und nun wir Euch leisten Gehorsam, wollt Ihr uns wieder bringen zurück in das grausame Loch!«
»Wo habt Ihr Eure Tochter?«
»Meine Tochter?« antwortete Itzig, »welche ist schön wie Sulamith und herrlich wie Judith zu Bethulia? Die haben gerissen die Räuber von mir, und ich weiß nicht, wo hingekommen ist der Stolz und die Freude meines Lebens; aber Sarah, mein Weib, das mir geboren hat fünf Söhne und sieben Töchter, ist in meinem Hause zu Gardelegen und wartet mit Schmerzen auf Aron, ihren Geliebten, welchen sie – –«
»Schweigt mit Eurer Sarah. Ich frug nach Eurer Tochter, um zu wissen, ob sie Euch wiederzugeben sei! Wenn heut nicht, so wird es doch später wohl geschehen; jetzt aber kommt mit mir zu Herrn Henning von Bismarck!«
»Herr Henning von Bismarck ist gekommen, zu gedenken der Kinder Juda, welche da sitzen unter den Weiden zu Babylon und hängen ihre Harfen – – –«
»Schweigt und kommt!«
Der Ton dieser Unterbrechung klang jetzt so barsch, daß sie endlich beherzigt wurde. Die beiden glücklichen Kinder Israels folgten dem Voranschreitenden bis an den Ort, an welchem Bismarck stand, dem gegenüber sie sich zu voluminösen Lobes-und Dankesüberhebungen anschickten, dabei aber von ihm mit zwar leiser, jedoch scharfer Mahnung abgewiesen wurden:
»Was schreit Ihr da in dem Gange, als stäkt Ihr an dem Spieße? Es gilt hier, vorsichtig zu sein, und mir scheint, ich habe Stimmen in der Kapelle vernommen.«
Keiner wagte auf diese Warnung ein Wort zu sagen. Der Ritter und Detlev öffneten die Thür, um zu lauschen. Wirklich vernahmen sie ein Wechselgespräch zwischen einer männlichen und weiblichen Stimme, und als sie es wagten, bis an die Ecke des Altares vorzutreten, sahen sie den Pater Eusebius, welcher vor einer weiblichen Gestalt stand, die in einem der Kirchenstühle Platz genommen hatte.
»Ja, es ruht ein schwerer Fluch auf Euch und Eurem irren Glauben. Ihr habt Eure Gesetze unter Donner und Blitz vom Sinai empfangen, und das Wetter hat seit jener Zeit fortgeleuchtet über Eurem starren Haupte bis auf den heutigen Tag. Der Messias ist gekommen,
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