Ploetzlich Fee 04 - Frühlingsnacht
Das Haus der Knochenhexe
»Hey, Eisbubi! Bist du sicher, dass du weißt, wo es langgeht?«
Ich ignorierte Robin Goodfellow und schob mich weiter durch den düsteren Nebel des Wilden Waldes, immer tiefer in einen morastigen Sumpf hinein, der als die Knochenmarsch bekannt war. Bei jedem meiner Schritte klebte Schlamm an meinen Füßen, ständig tropfte irgendwo Wasser und die knorrigen Äste der Bäume waren so stark mit grünem Moos bewachsen, dass sie von einer dicken Schleimschicht umhüllt zu sein schienen. Um die mächtigen Baumwurzeln waberten Nebelschwaden und verwandelten die Senken im Boden in uneinsehbare Stolperfallen. Hin und wieder plätscherte etwas in dem stillen Wasser – eine Erinnerung daran, dass wir nicht allein waren. Die Marsch machte ihrem Namen alle Ehre, denn überall waren Knochen verstreut: Sie ragten aus dem Matsch auf, versteckten sich im Gestrüpp oder schimmerten bleich unter der Wasseroberfläche. Dies war ein gefährlicher Teil des Wilden Waldes, noch gefährlicher als manch anderer. Und zwar nicht wegen der Katoblepas, der Jabberwocks oder der anderen Monster, die in diesem finsteren Sumpf zuhause waren, sondern wegen eines ganz bestimmten Bewohners, der irgendwo im Herzen der Marsch lebte.
Und zu dem wir unterwegs waren.
Etwas flog dicht an meinem Kopf vorbei und landete klatschend an einem Baumstamm. Ich blieb unter dem Astwerk stehen, drehte mich um und starrte meinen Begleiter finster an; eine schweigende Mahnung, das ja nicht wieder zu tun.
»Hey, er lebt!« Voll spöttischer Begeisterung riss Robin Goodfellow die schlammverklebten Hände in die Höhe. »Und ich hatte schon Angst, er wäre zum Zombie geworden oder so.« Grinsend verschränkte er die Arme vor der Brust. Der Matsch überzog seine roten Haare und sprenkelte sein schmales Gesicht. »Hast du mich gehört, Eisbubi? Ich schreie jetzt schon eine ganze Weile hinter dir her.«
»Ja.« Ich unterdrückte ein Stöhnen. »Ich habe dich gehört. Ich denke, sogar die Jabberwocks am anderen Ende des Sumpfes haben dich gehört.«
»Oh, gut. Wenn wir gegen ein paar von denen antreten müssen, schenkst du mir vielleicht endlich mal ein wenig Beachtung.« Puck erwiderte meinen finsteren Blick und wies in Richtung Sumpf: »Das ist doch Wahnsinn. Woher sollen wir überhaupt wissen, ob er hier ist? Die Knochenmarsch steht nicht unbedingt auf der Liste meiner bevorzugten Ferienziele, Prinz. Bist du sicher, dass dein Kontaktmann wusste, wovon er da redet? Denn wenn sich das hier mal wieder als falsche Fährte herausstellt, schnappe ich mir diese Púca und verwandle sie in ein Paar Handschuhe.«
»Ich dachte, du wolltest ein Abenteuer«, erwiderte ich, einfach nur um ihn zu ärgern. Puck schnaubte empört.
»Klar doch, versteh mich nicht falsch: Ich latsche unheimlich gerne von einem Ende des Nimmernie zum anderen, lasse mich von wütenden Sommerköniginnen jagen, schleiche mich in den Keller eines Ogers, kämpfe gegen Riesenspinnen oder spiele mit einem launischen Drachen Verstecken – alles super.« Er schüttelte den Kopf, und bei diesen schönen Erinnerungen leuchteten seine Augen. »Aber das hier ist ungefähr unser sechster Versuch, diesen verdammten Kater zu finden, und wenn er hier nicht ist, dann kriege ich fast Angst vor unserem nächsten Ziel.«
»Du musst nicht mitkommen«, erinnerte ich ihn. »Wenn du willst, kannst du jederzeit gehen. Ich werde dich nicht aufhalten.«
»Netter Versuch, Prinz.« Puck grinste breit. »Aber so leicht wirst du mich nicht los.«
»Dann sollten wir weitergehen.« Es wurde langsam dunkel, und sein ständiges Geschnatter ging mir langsam auf die Nerven. Ich hatte absolut keine Lust, die Aufmerksamkeit eines hungrigen Jabberwock zu erregen und mitten im Sumpf gegen ihn kämpfen zu müssen.
»Na schön«, seufzte Puck und schloss zu mir auf. »Aber ich weigere mich, mit dir zum Palast der Spinnenkönigin zu gehen, falls wir ihn hier nicht finden, Eisbubi. Irgendwo muss mal Schluss sein.«
Mein Name, mein voller, Wahrer Name lautet Ashallayn’darkmyr Tallyn, und ich bin der letzte Prinz des Dunklen Hofes.
Einst waren wir zu dritt, drei Winterprinzen: meine Brüder Sage und Rowan und ich. Meinen Vater habe ich nie kennengelernt, noch wollte ich ihn kennenlernen, und meine Brüder haben nie von ihm gesprochen. Ich war nicht einmal sicher, ob wir denselben Vater hatten, doch das spielte auch keine Rolle. Am Dunklen Hof war Mab die alleinige Herrscherin, die eine, wahre Königin. Attraktive
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