Der beiden Quitzows letzte Fahrten
ihre Kräfte waren denen des frommen Mannes nicht gewachsen.
»Laßt mich, oder ich rufe um Hilfe!«
»Hilfe? Hier giebt es für Dich keine, außer bei mir!«
»Meinst Du?« klang es neben ihm, und zu gleicher Zeit fiel eine Faust so kräftig auf seinen Schädel, daß er mit den Händen suchend um sich griff und dann zu Boden stürzte.
Es war Detlev gewesen, welcher den guten Hieb geführt hatte; er bückte sich nieder und schnürte dem Mönche mit dem Stricke, welchen derselbe um die Kutte trug, Hände und Füße zusammen.
»Mein Kind, meine Tochter!« rief der Jude. »Ich werde singen, spielen wie David auf dem Psalter und mit neun Saiten: Lobe den Herrn, meine Seele, der dir hat wiedergegeben den Liebling, der verloren war! Wie wird erschrecken und staunen mein Weib, wenn sie wird hören von den großen Thaten, die wir haben gethan unter den Philistern! Es wird sich erheben ein Lob im Gebirge, und in den Thälern wird erklingen der Ruhm von Aron Itzig und Veit Schmuel aus Gardelegen.«
Jetzt erhob sich Detlev aus seiner gebückten Stellung und sein Auge fiel zum ersten Male auf die Jüdin, deren Gesicht er bisher noch nicht erblickt hatte. Hoch und stolz stand ihre herrliche Gestalt vor ihm, beleuchtet von dem ewigen Lichte und dem Scheine der Laterne, welche jetzt Schmuel in der Hand trug. Ihr großes, orientalisch geschnittenes, dunkles Auge ruhte mit einem Ausdrucke auf ihm, der ihn im tiefsten Innern erbeben machte, und als sie jetzt ihre Stimme erhob, war ihr Klang ein ganz anderer, als vorhin dem Pater gegenüber.
»Dank Euch, Herr, für die Hilfe, die Ihr mir geleistet habt! Ich weiß nicht, wer Ihr seid, aber mein Herz wird an Euch und diese Stunde denken, so lange ich lebe!«
Sie ergriff seine Hand und drückte sie dankend an sich. Er fühlte die Fülle des Busens unter ihr erbeben; niegekannte Regungen durchflutheten ihn, und es geschah ihm zum ersten Male in seinem Leben, daß er vor Verwirrung keine Worte fand.
Bismarck löste ihn aus dieser peinlich seligen Lage, indem er das Schweigen brach.
»Laßt uns eilen, daß wir von hinnen gehen. Man könnte uns sonst entdecken, und dann würde es uns wohl schwerlich gelingen, aus diesem Hause zu entkommen!«
»Noch müssen wir warten, Ritter,« antwortete Detlev, der dem Sprecher gegenüber seine Sprache wiederfand. »Der Gang, durch welchen wir uns entfernen müssen, ist jetzt nicht sicher für uns, da sich mehrere Knechte der Herren von dem Kruge in demselben befinden. Sie sind ausgezogen, mich zu fangen, und werden, wenn sie mich nicht finden, wohl bald zurückkehren.«
»Euch fangen? Wer hat ihnen von Euch Nachricht gegeben?«
»Euer Knecht, den sie ausgefragt haben; ich hörte es aus ihrem Munde.«
»Der Verräther! So soll es mich auch nicht grämen, daß ich ihn zurücklassen muß. Ist der Gang ein verborgener?«
»Er mündet hier unter diesem Steine, nach dessen Beseitigung man in ein Grabgewölbe gelangt, aus welchem es unter der Erde fortgeht bis hinaus in den Wald. Laßt uns hinter den Altar zurücktreten; ich hoffe, daß wir nicht zu lange warten müssen!«
Diese Hoffnung erfüllte sich. Nach nicht langem Warten ertönte unter der Kapelle ein Geräusch, welches auf das Nahen der Erwarteten hindeutete, und nicht lange darnach hob sich die Steinplatte, aus welcher die hohe und breite Figur des Wachtmeisters emporstieg, dem Schwalbe mit einigen der Uebrigen folgte.
»Mordelement, Gott straf mich, wenn ich fluche!« brummte der Erstere; »aper es ist für einen ehrlichen Kriegsmann nichts Liepenswürdiges, seine alten Peine so durch den dunklen Erdpoden hindurchzuschiepen. Was sagst Du dazu, Pruder Schwalpe?«
»Wat ich da derzu sage? Nichts, gar nichts nich. Aber daß ich gewiehert habe, ohne den Mann bekommen zu thun, dat thut mir gewaltig ärgern. Seinen Gaul haben wir, aber wat thut uns dat nützen mögen? Und ob ihn der Balthasar mit seinen langen Armen fangen werden wird, dat is mich auch noch so eine gewisse Art von Unsicheres. Wir konnten selber unten bleiben thun, und ich glaube, daß Du hier einen großen Fehler wirst zu thun gehabt haben!«
»Schwalpe, Pruder Schwalpe, was für ein Deiwel ist Dir denn eigentlich in den Leip gefahren, daß Du glaupst, der Wachtmeister Kaspar Liepenow könne einen derartigen Fehler pegehen? Wenn wir unten pleipen und pekommen ihn nicht, so hapen wir die Suppe auszuessen, pleipt aper der Palthasar unten und pekommt ihn nicht, so hat er es zu verantworten, und üprigens hape ich ihm so viel
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