Der Bernsteinring: Roman
verschwiegen. Wahrscheinlichhabt Ihr gute Gründe dafür. Aber jetzt muss ich sie wissen.«
»Na gut, ich begleite Euch.«
»Danke.«
Sie gingen schweigend durch die dunklen Straßen und kehrten dann in ein kleines, gut besuchtes Wirtshaus ein, das vornehmlich von Scholaren aufgesucht wurde. Es ging nicht ganz so rau zu wie in den Schenken um die Schmierstraße. Sie suchten sich einen Platz in einer Ecke, und Julius bestellte leichten Wein für sie beide.
»Frau Anna, wie gut kennt Ihr Rosa?«
»Recht gut, Julius. Und Euch kannte ich auch bereits. Aber, versteht, es stand mir nicht an, Euch zu sagen, dass sie hier lebt. Sie ist verheiratet und hat sich von ihrem alten Leben gelöst.«
»Ja, das hat sie wohl. Aber dennoch hat die Vergangenheit sie eingeholt. Der Turmmeister weiß nun durch einen dummen Zufall, dass sie einst zu unserer Truppe gehört hat.«
»O heilige Anna!«
»Ja, das wirft kein gutes Licht auf sie. Und nun legt man ihr den Mord an dem Mädchen zur Last und nennt sie eine Giftmischerin. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass sie das getan hat.«
»Nein, sie mochte Valeska. Ihr scheint gut informiert zu sein, Julius. Was hat man herausgefunden?«
»Es gab Zeugen, die aussagten, sie habe Zaubertränke verkauft, und auch zwei Kanonissen haben gegen sie ausgesagt und Euren Namen dabei genannt. Es wäre besser, man würde den wahren Mörder suchen, aber im Augenblick sind diese Trottel im Turm so davon angetan, alles zusammen Rosa anzulasten, dass sie sich nur auf sie konzentrieren.«
»Aber was können wir tun?«
»Vielleicht mehr als wir bisher glauben, Frau Anna. Aber ich brauche Eure Hilfe. Ich habe, seit ich am Dienstag erfuhr, dass es sich um meine Rosa handelt...«
»Eure?«
»Nein, nicht die meine. Obgleich – damals war sie noch ein Kind, aber ich sah schon die Frau, die sie einst werden würde. Und hoffte. Aber sie wollte mehr, und der junge Gudenau verfing sich in ihren Netzen. Was soll’s, es ist geschehen.«
»Verzeiht, ich wollte nicht auch noch traurige Erinnerungen wecken. Was habt Ihr seit Dienstag getan?«
»Herumgehorcht. Vorsichtige Fragen gestellt. Gerüchte verbreitet.«
»Gerüchte verbreitet?«
»Um jemanden zum Handeln zu verleiten, ja.«
»Und das ist Euch gelungen? Nun, berichtet etwas genauer!«
»Wenn Ihr einige Zeit mit Rosa zusammengelebt habt, dann wisst Ihr auch um ihre Eigenarten?«
»Julius, hört auf, mich wie ein rohes Ei zu behandeln.«
Er lachte leise auf.
»Ich bin manchmal dumm, nicht wahr? Rosa ist kein sehr häusliches Weib, sie scheint sich gelegentlich aus dem Haus zu schleichen und sich mit ihrem Liebhaber zu treffen. So sagen es die Leute.«
»Welche?«
»Gäste in den Schenken. Anna, vor allem die Männer der Wache haben sie gesehen. Es scheinen zwar nur die wenigsten sie als die Ratsherrin zu kennen, aber ihren Namen wissen sie, und an ihr Aussehen können sie sich erinnern. Jetzt, da sie im Turm ist, werden sie auch dahinter kommen, wer sie wirklich ist.«
»Sie haben es Euch erzählt?«
»Es ist nicht schwer, die Leute in einer Schenke zum Reden zu bringen. Ich habe ihnen einige derbe Schwänke vorgesungen, die sie erheitert haben. Dann haben wir miteinander getrunken, und ich habe meine Fragen gestellt.«
»Ihr seid geschickt in solchen Dingen, vermute ich?«
»Es ist mein Geschäft, über alle Neuigkeiten Bescheid zu wissen und sie weiterzutragen. Diese hier allerdings geht nur mich und Euch etwas an.«
»Ich wusste, Rosa flog nächtens aus. Ich weiß sogar, mit wem sie sich an jenem Abend treffen wollte.«
»Das weiß ich inzwischen auch. Der Büchsenmeister vom Bayenturm, der sich Marcel le Breton nennt und auch das Schwarzpulver für die Wachen herstellt. Er hat sein Haus in der Nächelsgasse.«
»Auch darüber sprechen die Stadtsoldaten?« »Sicher.«
»Der Büchsenmeister ist ein ansehnliches Mannsbild«, bemerkte Anna trocken.
»So sagt man.«
»Ihr habt ihn noch nicht getroffen?«
»Doch, inzwischen habe ich auch ihn getroffen.«
»Er ist auch ein Freund des Hrabanus Valens, dem er einst das Leben gerettet hat.«
»Das war mir neu. Daher also kennt Rosa ihn.«
»Ja, daher. Ihr seht, so ungewöhnlich ist die Verbindung zwischen Ratsherrin und Büchsenmeister nicht. Was nützt uns aber dieses Wissen?«
»Mehr als Ihr denkt, Frau Anna. Es ist nämlich so, dass dieser Marcel ein kleines Problem hat.«
»Hat er Schulden?«
»Nein, oder zumindest hörte ich davon nichts. Es ist ein... delikateres Problem.
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