Dann klappts auch mit dem Glueck
1. KAPITEL
Meredith Lange nahm das Foto von sich und ihrem Mann George in die Hand und betrachtete es im Licht der Augustsonne, die durch das Schlafzimmerfenster hereinschien. Einpacken oder nicht einpacken, das war hier die Frage. Sie entschied, es nicht mitzunehmen, und warf es stattdessen in den Mülleimer. Es wäre albern, ein Bild von ihrem edlen Ritter aufzubewahren, der sich als Schurke entpuppt hatte.
Wie vollkommen war ihr das Leben erschienen, als George Lange auf seinem weißen Pferd angeritten gekommen war – natürlich nur im übertragenen Sinne. Aber das zeigte mal wieder, dass man einer Sache, die zu vollkommen war, einfach nicht trauen konnte. Schon gar nicht, wenn es sich dabei um einen Mann handelte.
George hatte alles gehabt. Er war gut aussehend, charmant und humorvoll gewesen, und sie hatte sich sofort in ihn verliebt. Doch er war nicht nur ein toller Typ gewesen, sondern hatte auch sonst über so manche Vorzüge verfügt – ein Haus am Lake Washington (allerbeste Lage für eine Immobilie in Seattle), ein Boot, einen Truck, einen Mercedes und ein dickes Bankkonto. Jedenfalls hatte sie das geglaubt. Für eine alleinerziehende Mutter, die gerade dabei war, sich mühsam die Krankenschwesterausbildung zu finanzieren, war das wie ein Sechser im Lotto gewesen.
Wie gewonnen, so zerronnen, dachte sie jetzt. Denn hinter dieser glitzernden Fassade hatte George ein klitzekleines Problem verborgen. Eins, bei dem es um Rennpferde, Casinos und Lotto ging, oder was auch immer es sonst noch für Glücksspiele gab. In Anbetracht der Tatsache, dass er sich sein Geld als Finanzberater verdient hatte, eigentlich ziemlich bitter.
Meredith war seiner Spielsucht auf die Spur gekommen, als ihre Ersparnisse sich innerhalb kürzester Zeit in Luft aufgelöst hatten und George verkündete, dass er das Boot verkaufen wollte. Und den Truck. Oh, und als er nebenbei erwähnte, dass er das Haus zum Verkauf angeboten hatte. Schließlich bräuchten sie zu dritt ja kein so großes Haus.
„Erklär das Leo“, hatte sie widersprochen. Ihr damals zwölfjähriger Sohn war begeisterter Wasserskiläufer – dafür brauchte man ein Boot –, und er lud gerne seine Freunde ein, um mit ihnen zusammen Filme im Medienzimmer des Hauses anzuschauen, das plötzlich angeblich zu groß für sie war. Dabei war sie so glücklich gewesen, dass ihr Sohn endlich einmal einen Lebensstil genießen konnte, den weder sie noch ihre Eltern ihm je hätten bieten können.
Was Leo allerdings am meisten begeistert hatte, war die Tatsache, dass er einen Dad hatte. Er war drei Jahre alt gewesen, als sich die Sache mit George zu einer festen Beziehung entwickelt hatte, ungefähr in dem Alter, in dem es schwierig wird zu erklären, warum er, anders als all seine Freunde, keinen Daddy hatte, nicht mal einen Vater, den er am Wochenende oder in den Ferien besuchen konnte. „Dein Daddy war ein Rumtreiber, kaum mehr als ein Samenspender“, war nicht gerade das, was eine Mutter ihrem dreijährigen Sohn erzählt. Genauso wenig wie Meredith ihm jetzt sagen würde, dass sein Stiefvater ein unheilbarer Zocker gewesen war und dass jeder Penny, den sie mit dem Verkauf des Hauses erzielt hatten, dafür verwendet worden war, die Schulden zu begleichen. Und dass sie aus diesem Grund in das kleine Ferienhäuschen am Rand der Kleinstadt Icicle Falls ziehen würden. Es war das Einzige, was sie sich leisten konnte.
Sie zahlte einen hohen Preis dafür, das Ansehen ihres Mannes in Ehren zu halten: Seit der Umzug unmittelbar bevorstand, redete Leo kaum noch mit ihr. Als wäre es ihr Fehler, dass George seinen Schmerz mit Bourbon betäubt und seinen (noch nicht abbezahlten) Mercedes um einen Baum gewickelt hatte. Als wäre es ihr Fehler, dass sie sich jetzt einschränken mussten. Der Tod ihres Mannes war schon schlimm genug gewesen. Aber dadurch, dass sie sich mit den Banken und diversen Gläubigern abplagen musste, war das letzte Jahr zu einem Albtraum geworden. Nun musste sie die Wut ihres Sohnes über den Verlust des Hauses und den bevorstehenden Umzug aushalten, und das war fast genauso schrecklich.
„Kinder machen immer den Elternteil verantwortlich, bei dem sie sind. Wenn du geschieden wärst, wäre es auch dein Fehler“, hatte ihre Mutter, in dem Versuch, sie zu trösten, erklärt.
„Aber wir waren nicht geschieden“, hatte Meredith widersprochen. Pleite ja, allerdings nicht geschieden. Sie wären zu einer Beratungsstelle gegangen, hätten versucht, das Problem
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