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Der Bernsteinring: Roman

Der Bernsteinring: Roman

Titel: Der Bernsteinring: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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hinterlassen, um das Teil wieder abzuholen.«
    »Cilly, du bist erstklassig. Schade, dass morgen die Geschäfte geschlossen sind.«
    »Montag sind sie wieder geöffnet. Aber da wir im Moment nichts in dieser Sache tun können, gehst du jetzt mit mir in die Küche, Anita, und schneidest den kalten, toten Fisch klein. Es gibt Curry. Und danach erzähle ich euch noch ein bisschen was.«

10. Kapitel
 
 Die Schreibmeisterin
    Das Haus »Zum Raben« in der Sternengasse war eines der ansehnlichsten in dieser Straße, ein dreistöckiges Steinhaus mit Stufengiebel und bogenförmigen Fenstern, die die Fassade harmonisch aufteilten. In der Eingangstür aus schwerem Holz blinkte der bronzene Klopfer im Licht. Eine adrette Magd öffnete Anna die Tür, als sie eine Woche nach dem Besuch von Hrabanus Valens bei ihm vorsprach. Anna schritt über den Steinboden des Eingangsbereiches mit seinem schwarzgrünen Mosaik. Eine Treppe aus schwerem Eichenholz schwang sich in die oberen Stockwerke, das Geländer mit seinen gotischen Schnitzereien schimmerte seidig, und es roch leicht nach dem Bienenwachs, mit dem es poliert worden war. Eingeschüchtert wartete sie darauf, von dem Hausherren empfangen zu werden.
    Es begann für sie eine Zeit, in der sie höchstes Erstaunen und tiefste Demütigung erfuhr. Denn wenn auch der Gewürzhändler sich väterlich wohlwollend verhielt, sein Weib behandelte sie mit abschätziger Verachtung. Frau Berlindis, ihre Gesellschafterinnen und die ältlichen Verwandten des Herrn des Hauses, hatten zunächst mit aufdringlichen Fragen versucht, ihr das Geheimnis ihrer Herkunft zu entlocken und ihr dann, als sich Anna hinter ihrer lateinischen Sprache verschanzt hatte, ihr mit spitzen und abfälligen Bemerkungen das Leben schwer gemacht, gegen die sie sich nicht wehren konnte. Schließlich taten sie sie, da sie die Spracheaugenscheinlich nicht beherrschte, als schwachsinnig und zurückgeblieben ab. Es war eine besondere Qual für Anna, die gehässigen Kommentare verstehen zu können, darauf jedoch keine Antwort geben zu dürfen. Aber aus Zuneigung zu ihrem Wohltäter legte sie sich strenge Zurückhaltung auf. Dennoch war sie froh, als der Tag kam, da sie in das Stift eintreten durfte.
    Sie trat in ihr neues Leben in einem Kleid aus feinstem, schwarzem Wollstoff, bestehend aus einem ausgeschnittenen, geschnürten Mieder und einem weiten, glockenförmigen Rock. Darunter lugte ein blendend weißes Hemd aus dem Halsausschnitt, und quoll aus den Schlitzen des Obergewandes an Schulter und Ellenbogen, so wie es seit einigen Jahren die Landsknechte mit ihren zerhauenen Trachten hielten. Diese Sitte hatte auch, in sehr viel subtilerer Form, Eingang in der Kleidermode der Frauen gefunden. Es war ein kostbares Gewand, mit dem Anna Einzug in das Stift von Sankt Maria im Kapitol hielt. Doch es half nicht darüber hinweg, dass sie von den anderen Kanonissen mit ablehnenden Blicken gemustert wurde und selbst von der Äbtissin nur geduldet wurde. Zwar hatte Ida-Sophia, ihres Zeichens Gräfin zu Are, die noble Spende des Gewürzhändlers nicht ablehnen können, doch besonders begeistert hatte sie die Fremde, die noch nicht einmal ihre Sprache beherrschte, nicht aufgenommen. Ihre Herkunft mochte vornehm sein, der Principe hatte für sie gebürgt, der Handelsherr ihr eine zu Herzen gehende Geschichte erzählt, aber es war etwas Verschlossenes an dem Mädchen, das sie nicht recht zu deuten wusste. Immerhin, sie war ruhig, passte sich geschmeidig den Regeln des Stifts an, trat pünktlich zu den Gebetstunden in die Reihen der Kanonissen und übte sich fleißig in der neuen Sprache. Sehr fleißig sogar. Sie schien ihr erstaunlich leicht zu fallen, und vorallem schnappte sie allerlei ungebührliches Vokabular auf, das sie wohl nur den Mägden und Knechten hatte ablauschen können. Die Priorin und sie hatten daraufhin beschlossen, eine der hochadligen Damen damit zu beauftragen, sie im rechten Gebrauch der Redewendungen zu unterweisen. Die ältere Kanonisse, die sich als Schreibmeisterin hervortat, übernahm diese Aufgabe zunächst mit Widerwillen. Doch schon als der Herbstwind die feuchten Blätter durch den Kreuzgang wehte, hatten die beiden, das junge Mädchen und die grauhaarige Freifrau Dionysia von Harve, eine ungewöhnliche Freundschaft geschlossen.
    An einem trüben Novembernachmittag nahm ihre gütige Lehrerin Anna also zur Seite und berichtete ihr über das Gespräch, das sie mit der Äbtissin über sie geführt hatte und welche

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