Der beschriebene Taennling
sondern in ihrer einfachen Natürlichkeit sieht, so erblikt man zuweilen im Südost über der schmalsten Waldlinie die norischen Alpen, so weit und märchenhaft draußen schwebend, wie mattblaue starr gewordene Wolken. Gewöhnlich überzieht sich an solchen Tagen gegen Mittag hin der ganze über dem Waldlande stehende Himmel mit einer stahlgrauen Wolkendeke, und läßt nur über den Alpen einen glänzenden Strich, zum Zeichen, daß in dem niedriger gelegenen Oesterreich noch heiterer Sonnenschein herrscht. Am andern Tage rieselt dann der feine dichte Regen nieder, und verhüllt nicht nur die Alpen, sondern auch die umgebenden blauen Bänder des Waldes.
Aber nicht blos wegen seiner Aussicht kömmt der Kreuzberg in Betracht, sondern es sind auch noch mehrere Dinge auf ihm, die ihn den Oberplanern bedeutsam und merkwürdig machen.
An einer Stelle stehen Felsen hervor, auf die man einerseits eben von dem Rasen hinzu gehen kann, und die andererseits tief und steil abfallen, fast vierekige Säulen bilden und am Fuße viele kleine Steine haben. Es ist einmal eine Bäuerin gewesen, die wegen ihrer außerordentlichen Schönheit berühmt war. Sie trug immer die Milch, die sie den fernen Arbeitern auf einer Wiese zur Labung brachte, über den Kreuzberg. Weil sie aber den Worten eines Geistes kein Gehör gab, wurde sie von ihm auf ewige Zeiten verflucht, oder wie sich die Bewohner der Gegend ausdrüken, verwunschen, daß an ihrer Stelle die seltsamen Felsen hervor stehen, die noch jezt den Namen Milchbäuerin führen. Die Säulen der Milchbäuerin sind durch feine aber deutlich unterscheidbare Spalten geschieden. Einige sind höher, andere niederer. Sie sind alle von oben so glatt und eben abgeschnitten, daß man auf den niederern sizen und sich an die höhern anlehnen kann. In der sonnigen Tiefe unter der Milchbäuerin sind die Pflanzbeete der Oberplaner, das ist, aufgelokerte Erdstellen, in denen sie im ersten Frühlinge die Pflänzchen des Weißkohles ziehen, um sie später auf die gehörigen Aeker zu verpflanzen. Warum die Leute diese von ihren Wohnungen so entlegene Stelle wählen, ist unbekannt, nur ist es seit Jahrhunderten so gewesen; befindet sich etwas eigenthümliches in der Erde, oder ist es nur die warme Lage des Bodens, der sich gegen Mittag hinabzieht, oder ist es die Abhärtung, welche die Pflänzchen auf dem steinigen Grunde erhalten: genug, die Leute sagen, sie gedeihen von keiner Stelle weg so gut auf den Feldern, wie von dieser, und Versuche, die man unten in Gärten gemacht hat, fielen schlecht aus, und die Sezlinge verkamen nachher auf den Aekern.
Nahe an der Milchbäuerin stehen zwei Häuschen auf dem Rasen. Sie sind rund, schneeweiß, und haben zwei runde spizige Schindeldächer. Sie haben keine Fenster und Simse, sondern nur eine kleine Thür. Wenn man bei dieser Thür hinein schaut, so sieht man keinen Fußboden, sondern unten, durch den Kreis der Ummauerung eingefangen, ein ruhiges klares Wasser, das den Sand und den Kies seines Grundes so deutlich herauf schimmern läßt, wie durch feines geschliffenes Glas. Auf jedem der zwei Wasserspiegel schwimmt ein kleiner hölzerner Kübel, der einen langen Stiel hat, welcher bei der Thür heraus ragt, daß man ihn fassen und sich Wasser herauf schöpfen kann. Zwischen den zwei Häuschen steht eine sehr alte und sehr große Linde. Ihr Stamm ist so mächtig, daß eine kleine Wohnung darin Plaz hätte, und ihre mannsdiken Aeste gehen weit über die zwei spizigen Schindeldächer hinaus.
Wieder nicht weit von den Häuschen, so daß man etwa mit zwei Steinwürfen hinreichen könnte, steht ein Kirchlein. Es ist das Gnadenkirchlein der schmerzhaften Mutter Gottes zum guten Wasser, weil ein Bildniß der heiligen Jungfrau mit den Schwertern des Schmerzes im Herzen auf dem Hochaltare steht. Zwischen Oberplan und dem Kirchlein ist ein junger Weg mit jungen Bäumen an den Seiten, so wie von dem Kirchlein zu den Brunnenhäuschen ein breiter Sandweg mit alten schattigen Linden ist.
Außer den drei Dingen, der Milchbäuerin, den Brunnenhäuschen und dem Kirchlein, ist noch ein viertes, das die Aufmerksamkeit auf sich zieht. Es ist ein alter Weg, der ein wenig unterhalb des Kirchleins ein Stük durch den Rasen dahin geht, und dann aufhört, ohne zu etwas zu führen. Er ist von alten gehauenen Steinen gebaut, und an seinen Seiten stehen alte Linden; aber die Steine sind schon eingesunken und an manchen Stellen in Unordnung gerathen; die Bäume jedoch, obwohl sie schon
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