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Der Blaumilchkanal

Titel: Der Blaumilchkanal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ephraim Kishon
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Redewendung besonders beachten zu müssen, wenn alles andere so dicht umwölkt war. Aber die Wiederholung riß den Schuhflicker aus seiner Lethargie, und blitzartig ging es ihm auf: >Aha! Eine fünfte will er!< Er bildete einen Trichter aus seinen Händen und brüllte, so laut er konnte, zum Podium hinüber:
    »Und ich sage, es wird keine fünfte Säule geben!«
    »Stimmt!« Seine benommenen Anhänger erwachten. »Nieder mit der fünften Säule.«
    Der Barbier wurde schrecklich wütend und verlor die Selbstbeherrschung.
    »Ich sage euch, ich bin der Bürgermeister«, er hieb auf den Tisch, »und es wird doch eine fünfte Kolonne geben!«
    Plötzlich begann die Tragödie. Hassidoff fiel über den Tisch vorwärts, den Körper in Krämpfen und den Mund überquellend von einem gallebitteren grünen Schaum. Hermann Spiegel sah, wie Hassidoffs plötzliche Rage den Gallenanfall hervorrief, aber selbst wenn er dem Leidenden hätte helfen wollen, wurde er durch die Schuhflickerniks daran gehindert. Sie packten die Stöcke, die sie zufällig mitgebracht hatten, und fielen über die Leute des Barbiers mit dem Schlachtruf her:
    »Da habt ihr eure fünfte Kolonne, ihr Bastarde!«
    Die Taschenmesser in den Händen der Bauern, die auf seiten des Barbiers standen, öffneten sich von selbst. Hermann Spiegel wand sich zum Rand des Feldes durch und öffnete das Erste-Hilfe-Kästchen, das er >nur für alle Fälle< mitgenomm
    hatte. Und gut, daß er es mitgebracht hatte. Kaum hatte er es geöffnet, schlug ihn jemand auf den Kopf, und er wurde ohnmächtig.
    Eine Stimme vom Himmel
    Der erste politische Krawall in Kimmelquell dauerte ungefähr zwei Stunden - so lange, wie müßige Bauern vorhanden waren. Viele Teilnehmer waren verletzt, aber nur zwei ernstlich: der Polizist - der sich in die Schlägerei eingemischt hatte, um ernste Zwischenfälle zu verhindern - und der Tierarzt, den ein Barbiernik auf den Schädel haute, weil er ihn irrtümlich für seinen Schwager, einen Schuhflickernik, gehalten hatte. Mischa wurde in sein Zimmer über dem Schankraum gebracht, wo er von der Gattin des vermißten Krankenwärters höchst erholsam gepflegt wurde, während Hermann Spiegel auf dem Schlachtfeld blieb und von der aufgebrachten Menge niedergetrampelt wurde. Als der Zusammenstoß vorbei war, verließen beide Gruppen den Kulturpalast als Sieger. Die Bauern, körperlich verwundet, zerstreuten sich unter gegenseitigen Drohungen, die über Nacht einen überraschenden Ausdruck auf den Hauswänden fanden:
    K eine F ünfte K olonne ! schrieben entschlossene Hände. N ieder mit der F ünften K olonne !
    Natürlich führte das Projekt >Malt das Schlagwort des Tages< zu weiteren, wenn auch beschränkten Ausbrüchen von Feindseligkeiten zwischen den mit Kübel voll Tünche und einer Menge Farbe beladenen Mannschaften. Am nächsten Tag war die Atmosphäre schon so geladen, daß die unschuldigste Bemerkung über die in Frage stehende Säule genügte, um jedes gewöhnliche Gespräch zu zerstören. Die Bauern, die bisher eine überraschende Selbstbeherrschung bei Gewaltanwendungen an den Tag gelegt hatten, waren jetzt ebenso schnell bei der Hand, ihre festen Fäuste spielen zu lassen, so daß es schien, als verdoppelten sie sich automatisch, wann immer die Wörter >Kolonne< oder >Säule< auftauchten. Die Lage wurde so gespannt, daß die Friedliebenden und Apathischen unter den Dorfbewohnern aufhörten, die aufreizende Zahl >fünf< zu verwenden und statt dessen vorsichtigerweise >zwischen vier und sechs< sagten, um niemandem Ursache zu geben, böse auf sie zu werden. In der darauffolgenden Zeit war es ratsam, sich nicht ins Freie zu wagen, und an den meisten Häusern waren tatsächlich die Fensterläden geschlossen - die Frauen saßen angstvoll hinter versperrten Türen und sehnten sich nach dem Ende des Belagerungszustandes.
    Salman Hassidoff war ständig nervös, und infolge seiner häufigen Gallenanfälle wurde sein Gesicht äußerst mager und verfallen.
    »Vielleicht riskiere ich mein Leben, aber ich gebe bei dieser fünften Säule nicht nach!« pflegte er einem Kunden zu verkünden, während er sein Rasiermesser mit geradezu widerlichem Vergnügen schärfte. »Für andere Leute mag die fünfte Kolonne ein bloßer Pfosten sein, aber für mich ist sie ein Symbol!«
    Daraufhin sprang die lauernde Klinge des Barbiers jeweils dem Kunden an die zugeschnürte Kehle, und er fragte:
    »Was ist Ihre Meinung, meine Herren? Eine Schweinerei, was?«
    Die Antwort lautete

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