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Der Blaumilchkanal

Titel: Der Blaumilchkanal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ephraim Kishon
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von sechs Jahren, als ich ein kleiner Engel war, eine derartige Festrede zum Ende des Schuljahrs gehalten, daß an jenem Abend die Eltern erschrocken und in Scharen herbeikamen, um herauszufinden, was ihren Sprößlingen zugestoßen war. Übrigens, zu welcher Gelegenheit plantet ihr zu sprechen, Genossen?«
    »Nur eine Versammlung von Farmern.«
    Wieder verspürte Amitz Dulnikker jene süße, sinnliche Schwindligkeit seinen Körper wie Rauschgift durchdringen. Die großen Schwierigkeiten, die er in den letzten Wochen erlitten hatte, ließen ihn vorübergehend die Tatsache vergessen, daß er seit mehr als einer Woche keinen nennenswerten Vortrag mehr gehalten hatte. Jetzt eben, dank der Bitte des Barbiers, durchbrach sein innerer Stausee die Dämme mit ohrenbetäubendem Getöse. Der Staatsmann sprang auf, und mit dem fast abgenagten Gänsebein in der Hand wie dem Taktstock eines Dirigenten, begann er eine Festrede, die unter Hochdruck aus seiner Kehle aufschäumte. »Bürger von Kimmelquell, meine Damen und Herren, Altansässige und Neueinwanderer! Verzeiht mir, daß ich einige Minuten eurer Zeit in Anspruch nehme, aber nachdem ich von beiden Stimmenthaltungen gehört habe, die sich von einer absoluten Perspektive aus mit dem Problem beschäftigen, möchte ich in den wenigen mir zugestandenen Minuten trotz unserer Meinungsverschiedenheiten an diese lebenswichtige Angelegenheit erinnern und es absolut klarmachen, ohne auch nur etwas auszulassen oder hinzuzufügen, und zwar in einem dem Gegenstand angemessenen Maßstab, in einer Art und Weise, die unserer Weltanschauung gegenüber loyal ist, mit einem klaren Bewußtsein aller Hindernisse und der Bedürfnisse der Öffentlichkeit und des einzelnen .«
    Die Reste der gebratenen Gans waren kalt geworden, und der Schatten des Zeigers der Sonnenuhr hatte sich um zwei Ziffern weiterbewegt, als Amitz Dulnikker seinen letzten Herzanfall in Kimmelquell erlitt. Salman Hassidoff hatte offenen Mundes den dahinrauschenden Worten gelauscht, unaussprechlich beeindruckt, als hätte ein Magier einen alles menschliche Fassungsvermögen übersteigenden Zauber ausgeübt. Und gerade das war die Kunst, die er von dem großen Redner lernen wollte: Diese göttliche Macht, unbegrenzt von Zeit und Raum zu sprechen, jeder Satz ein Satz und jedes Wort an seiner richtigen Stelle, und dennoch ohne einen einzigen wesentlichen Begriff auszudrücken - wie ein unendlicher Aal, der sich ewig dahinwindet.
    Als Dulnikker zu stammeln und zu stöhnen begann, stürzte der Barbier auf ihn zu und streckte ihn sehr besorgt auf dem Bett aus; außerdem fächelte er kühle, erfrischende Luft über das rote Gesicht des Staatsmannes. Selbst Hassidoff war von der gigantischen, vollkommenen Rede bis zum Zusammenbruch ermüdet, aber er schonte sich nicht und kümmerte sich mit seiner Frau bis zum Einbruch der Nacht um den Ingenieur.
    »Herr Ingenieur«, bat die brave Frau etwas besorgt, »Sie sollten so etwas nicht vor den Wahlen tun. Salman will noch immer, daß Sie ihn sprechen lehren.«
    »Nun, Sie haben mich gehört, mein Freund«, flüsterte Dulnikker mit einem schwachen Lächeln, »jetzt ahmen Sie das einfach nach.«
    »Das kann ich nicht«, protestierte Salman, »wenn ich so zu reden anfange, egal wie sehr ich mich auch bemühe, was ich sage, ist immer klar wie die Sonne. Haben Sie nicht irgend etwas Schriftliches bereit?«
    »Was meinen Sie - bereit?«
    »Eine solche Rede, geschrieben oder gedruckt. Es macht nichts, wenn es kurz ist, ich kann ja immer wieder von vorn anfangen ...«
    Dulnikker versuchte, sich nicht aufzuregen, weil er sich das wirklich nicht leisten konnte, aber die hartnäckigen Forderungen des Barbiers zerrten an seinen Nerven. Nach einiger Suche zog der Staatsmann ein zerknittertes Blatt der Parteizeitung aus seinem Koffer (Groidiss!). Dulnikker erinnerte sich, daß es auf der betreffenden Seite des Blattes etwas gegeben hatte, das dem Barbier entsprechen würde.
    »Lesen Sie der Menge den Leitartikel vor.«
    »Was ist ein Leitartikel?« fragte Frau Hassidoff.
    »Eine Rede für Anfänger«, vereinfachte es ihr Dulnikker. Ermüdet fügte er hinzu: »Ihr solltet es mehrmals wiederholen, bis ihr es ganz parat habt, Genossen. Jetzt laßt mich ruhen.«
    Die Versammlung fand auf dem Baugrund des vorgeschlagenen Salman-Moses-Kulturpalastes statt. Die Bauern bearbeiteten ihre Felder gerade nicht, sowohl wegen der schweren Regenfälle, die der Winter gebracht hatte, als auch aus anderen Gründen. Daher

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