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Der Blaumilchkanal

Titel: Der Blaumilchkanal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ephraim Kishon
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Hajdud, »Majdud sagt, es ist ein Fetzen. Ist es nicht eine Fahne für den Bürgermeister?«
    Dulnikker versuchte auch diesmal nicht, das Geschwätz der Fratzen zu ergründen. Er tat, als habe er sie nicht gehört, und versuchte unter ständigen Selbstvorwürfen den verknüpften Ärmel aufzubinden.
    »Sieht so aus, daß der Mantel schon trocken ist!« sagte er absichtlich laut. Aber zu seinem großen Ärger gelang es ihm erst nach einem längeren Kampf der Fingernägel, den Knoten aufzumachen, da der Mantel mit Tau vollgesogen war. Anschließend ging er schläfrig, jedoch angenehm ermattet, in den Speisesaal hinunter, entschlossen, von seinem Sekretär für dessen unverantwortliches Tun eine ausführliche Erklärung zu verlangen.
    »Genossen«, beabsichtigte er ihm entgegenzuschleudern, »ein Mann, der unfähig ist, seine Triebe zu beherrschen und ein Sklave seines Fleisches wird, sollte besser auf seine Berufung zum Dienst an Volk und Partei verzichten!«
    Auch Malka sah etwas müde aus, aber als sie Dulnikker sein ausgiebiges Frühstück servierte, sah sie ihn träumerisch an und drückte ihm leidenschaftlich den Arm.
    »Joj!« staunte die Frau. »Wo haben Sie es gelernt, so hübsch und so viel zu reden, Herr Dulnikker? Und so viele Fremdwörter, und in einem Zug. Ich hab’ noch nie so reden gehört.«
    Wieder wogte die gleiche warme Welle in Dulnikker hoch. Noch immer spürte er Malkas Kopf an seiner Brust. Er stand auf und trat zu ihr.
    »Komm heute nacht wieder hin, Malka«, flüsterte er heiser. »Ich werde auf dich warten.«
    »Pst, mein Mann!«
    Sehr verwirrt begann Dulnikker in der Küche herumzuwandern, als suche er etwas. Er stieß gegen den Schächter und verwickelte ihn sofort in ein Gespräch. Er erzählte ihm einen Witz über einen Schächter, dem verboten worden war, Schofar zu blasen, und fragte ihn, wie viele gottesfürchtige Mitglieder übrigens seine Gemeinde zähle.
    »Nur eines«, erwiderte der Schächter und deutete mit einem traurigen Lächeln auf sich.
    »Das ist nicht viel«, spottete der Staatsmann, »aber auf eine solche Gemeinde können Sie sich wenigstens verlassen.« »Weiß ich? Es ist schwer, in einem Ort fromm zu bleiben, der keine Synagoge hat, nicht einmal eine schundige.«
    »Das ist ja großartig«, sagte der Staatsmann in einem professionell scherzenden Ton klagend. »Für eine Synagoge ist kein Geld da, aber der Bürgermeister fährt in einem Wagen herum! Einfach wundervoll!«
    Der Schächter blickte ihn überrascht an.
    »Verzeihung, Herr Ingenieur«, erwiderte er, »aber sind denn nicht Sie es gewesen, der den Karren für ihn gemietet hat?«
    »Na und? Hat man ihn gezwungen, den Wagen von mir anzunehmen?«
    Die klare Logik des erfahrenen Staatsmannes traf ins Schwarze. Der Schächter klopfte auf den Busch. »Herr Ingenieur, würden Sie mir helfen, eine Synagoge zu bauen?«
    »Ich würde Ihnen gern Ihr Ansuchen bewilligen, meine Herren, aber ich habe kein Budget für andere dringende Bedürfnisse als die des Bürgermeisters.«
    »Ich kann kein Bürgermeister werden, Herr Ingenieur, ich bin Schächter.«
    »Na und? Ist der Schächter weniger als der Barbier? Im Gegenteil! Salman Hassidoff tut, was für ihn am besten ist, und Sie, Herr Rabbi tun, was für Gott am besten ist.«
    »Da ist viel Wahres dran«, meinte der Schächter, »aber ich bin kein Rabbi.«
    »Praktisch sind Sie einer! Sie sind ein Rabbi de facto!«
    Hier ließ Dulnikker den aufgeregten Schächter stehen, weil sein Sekretär mit den Spuren der nächtlichen Ausschweifung im Gesicht im Speisesaal erschien. Kühn näherte sich Dulnikker, pflanzte sich vor ihm auf und sagte leicht hüstelnd:
    »Ich möcht mit dir reden, mein Freund Zev.«
    Der Sekretär setzte sich mit aufreizender Fassung nieder.
    »Ja, Dulnikker. Was gibt’s?«
    Der Politiker beugte sich über den Tisch, das Gesicht nahe an Zev, und betonte jedes Wort:
    »Ich meine die Ereignisse heute nacht, Genosse!«
    »Keine Sorge, Dulnikker«, antwortete der Sekretär, während er sich Butter aufs Brot strich, »nur ich und Dwora haben euch beide im Garten gesehen. Beruhigen Sie sich, es wird nicht weiterdringen.«
    »Danke«, murmelte Dulnikker und begann sein weiches Ei aufzuklopfen.
    Am Nachmittag, als das Vieh von der Weide zurückkehrte, spielten sich Ereignisse ab, die in der Geschichte Kimmelquells noch nie dagewesen waren. Niemand wußte, wie es begonnen hatte. Die Leute sahen, wie die Tür der Schusterwerkstätte aufflog und Zemach Gurewitsch

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