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Der Blaumilchkanal

Titel: Der Blaumilchkanal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ephraim Kishon
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zusammen mit Mischa, dem Kuhhirten, herausstürmte.
    »Glaubst du, ich bin ein Narr, Gurewitsch?« schrie der Kuhhirte. »Ich weiß, daß du Dwora verboten hast, mich zu sehen!«
    »Ich es ihr verboten?« schrie ihn der Schuhflicker gellend an. »Dwora läuft vor dir davon, Mischa, das ist alles! Warum sollte ich es verbieten?«
    »Warum? Du fragst noch, warum?« brüllte der Kuhhirte wütend. »Glaubst du, ich weiß es nicht? Glaubst du, es wird dir durchgehen, daß du alle möglichen Schranken zwischen uns aufrichtest, nur weil ich ein Mann der materiellen Hilfsmittel bin?«
    »Was?«
    »Ja, ja, du hast richtig gehört, Zemach Gurewitsch! Gott sei Dank habe ich Augen im Kopf! Glaubst du, daß du das Recht hast, dich einzumischen, nur weil du Mittel produzieren kannst?« »Ich schwöre, er ist betrunken!« kreischte der Schuhflicker. »Schau, daß du weiterkommst, bevor ich mich vergesse!«
    Der Kuhhirte war fuchsteufelswild. »Sag du mir ja nicht, was ich tun soll, Gurewitsch! Noch bist du nicht Bürgermeister!«
    Der Schuhflicker sprang hoch, als hätte ihn eine Schlange gebissen. Seit zwei Tagen war er überzeugt, daß der Bürgermeister-Barbier unnötig vor seiner Werkstatt herumfuhr, um ihn zu provozieren. Gurewitsch ballte die Fäuste und ging wütend auf den Kuhhirten los.
    »Ich werde früher Bürgermeister sein, als du denkst!« schrie er. »Selbst wenn es einigen Leuten nicht paßt!«
    Dulnikker beobachtete die Auseinandersetzung mit kaum unterdrückter Genugtuung. »Endlich ein etwas menschlicher Ton«, sagte er zu seinem Sekretär. »Es sieht zwar aus, als sei es nicht mehr als ein persönlicher Kampf zwischen zwei Einzelmenschen, aber meiner bescheidenen Meinung nach ist dieser Konflikt der erste Vorbote einer gesunden politischen Gärung im Dorf Kimmelquell!«
    »Unser Vorbote«, bemerkte der Sekretär nervös, »müßte jetzt schon bei Manager Schultheiß eingetroffen sein.«
    »Dessen kann man nicht so sicher sein«, erwiderte Dulnikker. »Ich habe irgendwo gelesen, daß sich in diesem Sommer die Raubvögel ungeheuer vermehrt haben.«
    Hermann Spiegel kam herbeigelaufen und fragte atemlos:
    »Worüber streiten sie?«
    »Über das Bürgermeisteramt«, erwiderte Dulnikker. »Natürlich.«
    »Lächerlich«, bemerkte der Tierarzt. »Erst gestern abend habe ich zufällig das Thema mit meiner Frau besprochen. Sie meinte, ich würde einen perfekten Bürgermeister abgeben, wegen meiner wunderbar klaren Handschrift. Ich habe ihr gesagt: >Was redest du da, mein Schatz? Das könnte ich gerade brauchen!«« »Warum nicht?« fragte Dulnikker. »Selbst ein Intellektueller könnte einen guten Bürgermeister abgeben. Oder haben nur Handwerker das Recht, in Kutschen herumzufahren?«
    »Meinen Sie wirklich, Herr Ingenieur?« überlegte Hermann Spiegel und eilte zu den Streitenden hinüber, obwohl sich die Menge inzwischen mangels Handlung zerstreut hatte.
    »Immer muß ich alles selber machen!« erklärte der Staatsmann befriedigt. »Ich werde jetzt den Schuhflicker besuchen und ihm einige elementare Dinge erklären.« Er drehte sich nach seinem Sekretär um. »Sag mir, mein Freund Zev, als ich dir die Idee mit dem Karren das erste Mal auseinandersetzte, hast du da geglaubt, daß sie ermutigende Entwicklungen erzeugen würde?«
    »Nein, Dulnikker. Wirklich nicht.«
    Zev und die kleine Blonde kletterten langsam einen schmalen Pfad hinauf, der sich durch den Tannenwald schlängelte. Der langarmige Sekretär schien das Mädchen unter seiner Achselhöhle zu tragen, während Dworas große Augen an seinem Gesicht hingen.
    »Hörst du die Vögel zwitschern?« fragte sie begeistert. Der Sekretär versicherte ihr, daß er den Lärm höre, er sei ja nicht taub.
    »Sie zwitschern nicht nur«, versicherte er ihr, »sie beflecken einem auch die Kleider.«
    »Ihr Stadtfräcke sucht in allem immer nur das Schlechte.«
    »Im Gegenteil, mein Huhn, wir suchen uns das Gute heraus.«
    Um zu beweisen, daß es ihm ernst damit sei, nahm Zev seine Brille ab, lehnte das Mädchen gegen einen Baumstamm und küßte es auf die Lippen. Da dies seine einzige Zerstreuung im rückständigen Kimmelquell war, war es nur natürlich, daß die beiden ihren Weg erst nach einer langen Pause fortsetzten.
    »Warum seid ihr hergekommen?« fragte Dwora.
    »Der Ingenieur kam zur Erholung.«
    »Das stimmt nicht. Der Ingenieur ist nicht zur Erholung gekommen, er ist gekommen, um das Dorf aufzuhetzen.«
    »Möglich. Das ist sein Geschäft.«
    »Geschäft? Warum

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