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Der Blinde Uhrmacher - Ein neues Plädoyer für den Darwinismus

Der Blinde Uhrmacher - Ein neues Plädoyer für den Darwinismus

Titel: Der Blinde Uhrmacher - Ein neues Plädoyer für den Darwinismus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dawkins
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waren der Meinung, daß der Selektion in der Evolution bestenfalls eine unbedeutende Funktion des Ausjätens zukäme. Die wirklich schöpferische Kraft war die Mutation selbst. Die Mendelsche Genetik hielt man nicht für die zentrale Säule des Darwinismus, die sie heute ist, sondern für eine Antithese zum Darwinismus.
    Es ist für einen modernen Verstand ungeheuer schwer, auf diese Idee anders als mit Heiterkeit zu reagieren, aber wir müssen uns davor hüten, in den gönnerhaften Ton zu verfallen, den Bateson selbst anschlug: »Wir wenden uns an Darwin wegen seiner unvergleichlichen Sammlung von Fakten, [aber ...] für uns spricht er nicht mehr mit philosophischer Autorität. Wir lesen sein Schema der Evolution, wie wir die von Lukretius oder Lamarck lesen würden.« Und weiter, »die Umgestaltung von Massen von Populationen durch unmerkliche Schritte, die von der Auslese gelenkt sind, ist, wie die meisten von uns sehen, so wenig auf das Faktum anwendbar, daß wir uns nur wundern können über sowohl den Mangel an Einsicht, den die Verfechter einer solchen Lehre an den Tag legen, als auch über die forensischen Fähigkeiten, mit denen sie so dargestellt wurde, daß sie akzeptabel schien, und sei es auch nur eine Zeitlang.« Es war vor allem R. A. Fisher, der den Spieß umdrehte und zeigte, daß die Mendelsche partikuläre Vererbung, weit davon entfernt, eine Antithese zum Darwinismus zu sein, tatsächlich von entscheidender Wichtigkeit für den Darwinismus ist.
    Mutation ist notwendig für die Evolution, aber wie konnte jemals irgend jemand glauben, sie reiche aus? Der evolutionäre Wandel ist in weit größerem Maße Verbesserung, als man aufgrund des Zufalls allein erwarten würde. Das Problem mit der Mutation als einziger evolutionärer Kraft läßt sich sehr einfach darstellen: Wie um alles auf der Welt soll die Mutation »wissen«, was gut für das Tier sein wird und was nicht? Von allen möglichen Veränderungen, die einem bestehenden komplexen Mechanismus wie einem Organ geschehen können, wird die überwältigende Mehrheit zum Schlechteren sein. Nur eine winzige Minderheit von Veränderungen bringt Verbesserungen. Wer argumentiert, daß Mutation ohne Selektion die treibende Kraft der Evolution ist, muß erklären, auf welche Weise Mutationen zum Besseren tendieren. Durch welche mysteriöse, eingebaute Weisheit entscheidet sich der Körper, dorthin zu mutieren, wo er besser wird und nicht schlechter? Der Leser wird merken, daß wir genau dieselbe Frage in anderer Form für den Lamarckismus gestellt haben. Die Mutationisten haben sie selbstredend niemals beantwortet. Sonderbar ist, daß die Frage ihnen kaum eingefallen zu sein scheint.
    Heutzutage - aber zu Unrecht - scheint uns dies um so absurder, als wir in dem Glauben erzogen werden, daß Mutationen »zufällig« sind. Wenn Mutationen zufällig sind, dann können sie per definitionem nicht zugunsten der Verbesserung gelenkt werden. Aber natürlich betrachtete die Schule der Mutationisten Mutationen nicht als zufällig. Sie glaubten, der Körper habe eine eingebaute Tendenz, sich eher in einige Richtungen zu verändern als in andere, obwohl sie die Frage offenließen, woher der Körper »wisse«, welche Veränderungen für ihn in Zukunft gut wären. Auch wenn wir diesen mystischen Unsinn abtun, ist es doch wichtig für uns, ganz klar zu sehen, was wir meinen, wenn wir sagen, Mutation sei zufällig. Es gibt Zufall und Zufall, und viele verwechseln die verschiedenen Bedeutungen des Wortes. In vielerlei Hinsichten sind Mutationen tatsächlich nicht zufällig. Ich würde lediglich auf einem bestehen, nämlich, daß diese Hinsichten nichts einschließen, das gleichbedeutend ist mit einer Vorwegnahme von etwas, was das Leben für das Tier besser machen würde. Und etwas, das dieser Vorwegnahme gleichkäme, wäre in der Tat nötig, wenn Mutationen ohne Auslese zur Erklärung der Evolution benutzt werden sollten. Es ist instruktiv, wenn wir uns ein wenig damit befassen, in welcher Hinsicht Mutation zufällig ist und in welcher nicht.
    Die erste Sicht, aus der Mutation nichtzufällig ist, ist folgende. Mutationen werden von definitiven physikalischen Vorgängen verursacht; sie geschehen nicht einfach spontan. Sie werden von sogenannten Mutagenen induziert (diese sind gefährlich, weil sie häufig Krebs verursachen): Röntgenstrahlen, kosmische Strahlen, radioaktive Substanzen, verschiedene Chemikalien und sogar andere Gene, die als »Mutatorgene« bezeichnet

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