Der Blinde Uhrmacher - Ein neues Plädoyer für den Darwinismus
werden. Zweitens ist die Wahrscheinlichkeit, daß ein Gen mutiert, nicht für alle Gene einer Art gleich. Jeder Chromosomenort hat seine eigene charakteristische Mutationsrate. Beispielsweise beträgt die Mutationsrate für das Gen des Huntingtonschen Veitstanzes (eine Krankheit ähnlich dem St.-Vitus-Tanz), der im frühen Mittelalter Todesfälle verursachte, ungefähr 1 pro 200 000. Die entsprechende Rate für Achondroplasie, das bekannte für Dackel charakteristische Zwergsyndrom, wo Arme und Beine für den Körper zu kurz sind, ist ungefähr zehnmal so groß. Diese Raten werden unter normalen Bedingungen gemessen. Mutagene wie Röntgenstrahlen treiben alle normalen Mutationsraten in die Höhe. Einige Teile des Chromosoms sind sogenannte heiße Stellen mit einer höheren Gen-Umsatzrate, einer lokal begrenzten sehr hohen Mutationsrate.
Drittens können an jedem Ort auf den Chromosomen, ob er eine »heiße Stelle« ist oder nicht, Mutationen in gewisse Richtungen wahrscheinlicher sein als Mutationen in die umgekehrte Richtung. Das nennt man »Mutationsdruck« und das kann Konsequenzen für die Evolution haben. Selbst wenn z. B. zwei Formen des Hämoglobinmoleküls, Form 1 und Form 2, selektiv neutral sind in dem Sinne, daß beide gleich gut darin sind, Sauerstoff im Blut zu transportieren, könnte es immer noch sein, daß Mutationen von 1 zu 2 häufiger sind als umgekehrt Mutationen von 2 zu 1. In diesem Fall wird aufgrund des Mutationsdrucks Form 2 häufiger vorkommen als Form 1. Man sagt, daß der Mutationsdruck an einem gegebenen Chromosomenort gleich Null ist, wenn die Vorwärtsmutationsrate an jenem Ort genau von der Rückwärtsmutationsrate ausgeglichen wird.
Wir können jetzt sehen, daß die Frage, ob Mutation wirklich zufällig ist, keine belanglose Frage ist. Ihre Antwort hängt davon ab, was Zufall unserer Meinung nach bedeutet. Wenn man mit »zufälliger Mutation« meint, Mutationen würden nicht von äußeren Ereignissen beeinflußt, dann erweisen Röntgenstrahlen die Behauptung, Mutation sei zufällig, als falsch. Wenn man meint, »zufällige Mutation« bedeute, daß alle Gene mit gleicher Wahrscheinlichkeit mutieren, dann beweisen die heißen Stellen, daß Mutation nicht zufällig ist. Meint man, »zufällige Mutation« besage, der Mutationsdruck sei an allen Chromosomenorten null, dann ist Mutation wieder nicht zufällig. Nur wenn man »zufällig« als »keine allgemeine Tendenz in Richtung auf körperliche Verbesserung« definiert, ist Mutation echt zufällig. Alle drei Arten tatsächlicher NichtZufälligkeit, die wir in Betracht gezogen haben, können die Evolution nicht in Richtung der adaptiven Verbesserung im Gegensatz zu irgendeiner anderen (funktional gesehen) »zufälligen« Richtung drängen. Es gibt eine vierte Art der Nichtzufälligkeit, auf die das ebenso zutrifft, aber weniger offensichtlich. Es wird notwendig sein, ein wenig mehr Zeit auf diese vierte Art der Nicht-Zufälligkeit zu verwenden, verwirrt sie doch immer noch sogar einige moderne Biologen.
Es gibt Leute, für die »Zufall« die folgende meiner Ansicht nach recht exzentrische Bedeutung hat. Ich zitiere zwei Gegner des Darwinismus (P Saunders und M.-W. Ho) und ihre Vorstellung darüber, was die Darwinisten in bezug auf »Zufallsmutation« angeblich glauben: »Der neodarwinistische Begriff der Zufallsvariation birgt den großen Irrglauben, daß alles Denkbare auch möglich ist.« - »Alle Veränderungen gelten als möglich und alle als gleich wahrscheinlich« (meine Hervorhebung). Weit davon entfernt, diese Meinung zu vertreten, verstehe ich nicht, wie man es anstellen sollte, eine solche Ansicht überhaupt sinnvoll zu machen! Was könnte es denn bedeuten, wenn man behauptet, daß »alle« Veränderungen gleich wahrscheinlich sind? Alle Veränderungen? Damit zwei oder mehr Dinge »gleich wahrscheinlich« sein können, ist es erforderlich, daß jene Dinge als getrennte Ereignisse definierbar sind. Wir können etwa sagen: »Köpfe und Schwänze sind gleich wahrscheinlich«, denn Köpfe und Schwänze sind getrennte Ereignisse. Aber »alle möglichen« Veränderungen am Körper eines Tieres sind keine deutlich abgegrenzten Ereignisse dieses Typs. Man nehme die zwei möglichen Geschehnisse: »Kuhschwanz wird um zwei Zentimeter länger« und: »Kuhschwanz wird um vier Zentimeter länger«. Sind das zwei getrennte Ereignisse und daher »gleich wahrscheinlich«? Oder sind sie lediglich quantitative Varianten desselben Ereignisses?
Es
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