Der blutige Baron - Lorenz - Der Buhmann
anderen wehrten sich dagegen, allen voran Werner, der nicht gerne etwas wegwarf.
„Herr Harbach wurde von einem … Tonbandgerät erschlagen, das auf einem hohen Schrank lag. Ein altes, sehr schweres Ding.“
Die Hexe und Dozentin wusste nicht, was sie dazu sagen sollte, also schwieg sie.
„Es wurde wohl seit Jahrzehnten nicht mehr benutzt. Es war vollkommen unnötig, es noch aufzubewahren.“ Ihre Stimme bekam einen bitteren Klang, den ihre Gesprächspartnerin sehr gut nachvollziehen konnte. Manchmal konnte ein Tod so sinnlos sein, dass man darüber verzweifeln wollte. Sie selbst fühlte sich schrecklich, seit sie es erfahren hatte. Ihr Magen war gefüllt mit einer ekelhaften sauren Brühe, und ihr Kopf schmerzte. Dennis … ausgerechnet Dennis, von allen Lehrern …
„Es ist einfach so heruntergefallen?“
„Die Polizei hat den Raum gestern den ganzen Tag lang untersucht. Es lässt sich nicht sagen, wie es genau geschehen ist, aber die einzig naheliegende Vermutung ist, dass er sehr heftig gegen den Schrank gestoßen sein muss, um dieses schwere Gerät in Bewegung zu setzen.“
„Vielleicht ist er gestolpert“, bot Margarete an.
„Vielleicht.“ Der Blick der Frau ging ins Leere. „Vielleicht ist er das.“ Sie schien sich an einem Gedanken festzubeißen, und es dauerte, bis sie sich wieder davon löste. „Machen wir einen kleinen Spaziergang, Frau Maus, einmal um die Schule herum?“
„Gerne“, stimmte Margarete ernst zu, und die beiden Frauen setzten sich langsam in Bewegung. Sie machten einen Bogen um die fußballspielenden Jungs. Erst als sie an ihnen vorbei waren, fragte sie: „Denken Sie, dass jemand … nachgeholfen hat?“
Etwas veränderte sich in Heidelinde Reichs Gesicht, aber es war nicht zu sagen, was es war. „Die Spurensicherung hat Fingerabdrücke von so ziemlich jedem Lehrer der Schule in dem Raum gefunden. Meine eingeschlossen.“ Sie kamen an einem Fahrradparkplatz vorbei. Zwei Mädchen unterhielten sich dort. Die Lehrerin nickte ihnen zu, und sie nickten unwillig zurück. „Es ist zu viel Gerümpel in dem Zimmer, um sonstige Spuren zu finden. Auf dem Tonbandgerät selbst waren keine Fingerabdrücke.“
„Aber Sie haben einen Verdacht, wer es getan haben könnte?“
Die Lehrerin sah sie an. „Sie sind sehr direkt, Frau Maus.“ Ihre Stimme vibrierte ein wenig.
„Ich möchte nur wissen, weshalb Sie mich hergerufen haben.“
„Weil Sie Herrn Harbach nahe standen?“
Margarete lächelte. „Es war nur eine Liebschaft. Sie hat drei Tage gedauert, dann mussten wir uns trennen.“
„Ja. So etwas Ähnliches dachte ich mir.“
„Sie haben mich gerufen, um jemanden zum Reden zu haben. Ihnen liegt etwas auf dem Herzen, was Sie der Polizei nicht anvertrauen wollten. So ist es doch, nicht wahr?“
Sie gingen ein Stück schweigend an dem hohen Gitterzaun eines Sportplatzes vorbei. Ein paar Jugendliche saßen dort auf dem roten Boden und palaverten. „Jetzt denken Sie, ich habe etwas mit seinem Tod zu tun“, sagte Heidelinde Reich irgendwann.
„Nein, genau das denke ich nicht.“
„Frau Maus, ich habe eine Frage. Man hat sie Ihnen bestimmt schon häufig gestellt, und es wird auf ein Mal mehr oder weniger nicht ankommen.“
„Schießen Sie los!“
„Was meinen Sie, wenn Sie sagen, Sie sind eine Hexe?“
Margarete holte tief Luft. „Wenn man es gut erklären will, braucht man dafür zwei Stunden.“
„Aber Sie bestehen darauf, dass es Magie und Übersinnliches gibt. Dass es keine Lügen sind.“ Das Gesicht der Frau hatte Farbe bekommen. Sie sprach ohne Ironie oder Feindseligkeit, nur mit einem völlig angemessenen Grad an Skepsis. Und – nicht ohne Interesse.
„Vieles davon sind Lügen“, entgegnete Margarete. „Aber längst nicht alles.“
„Kommt es oft vor, dass Menschen etwas … Ungewöhnliches sehen, aber nicht den Mut haben, darüber zu reden?“
„Weil sie fürchten, ausgelacht zu werden? Oder weil sie ihr Weltbild in Gefahr sehen? Sehr oft, ja. Leider.“ Margarete staunte über die rasche Wendung, die ihr Gespräch genommen hatte.
„Frau Maus, wir haben Sie neulich belogen.“
„Wir?“
„Herr Harbach und ich.“
Der Weg um die Schule bog in eine Gartenanlage ein, in der es Apfelbäume mit reifen Früchten gab. Ein Windstoß fuhr hindurch, rüttelte an den Äpfeln und warf einen davon herunter. Frau Reich blieb an einer Stelle stehen, wo das Schulgebäude kaum mehr zu sehen war. „Sie können sich denken, wovon ich spreche.“ Noch
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