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Der Briefwechsel Thomas Bernhard/Siegfried Unseld

Der Briefwechsel Thomas Bernhard/Siegfried Unseld

Titel: Der Briefwechsel Thomas Bernhard/Siegfried Unseld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raimund Fellinger
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von Thomas Bernhard erschienen, das soeben in Salzburg uraufgeführt wurde. In diesem Stück wird — wenn Presse und Rundfunk aus der Aufführung richtig zitieren – die Stadt Augsburg als muffiges und verabscheuungswürdiges Nest diffamiert, und es werden die Augsburger als die am schlimmsten abstoßend riechenden unter allen Zirkuszuschauern beschimpft. Das scheinen mir selbst für eine Komödie doch allzu bitterböse Worte, die Herr Bernhard auch mit dem Hinweis auf die Freiheit eines Autors nicht rechtfertigen könnte.
Nicht einmal der Dichter Bert Brecht hat behauptet, daß Augsburg eine Lechkloake sei, und Brecht war kritisch und hat Augsburg gekannt. Er wurde an einem Augsburger Lechkanal geboren und ist nahe am Stadtgraben aufgewachsen. Ich muß annehmen, daß Herr Thomas Bernhard unser Augsburg überhaupt nicht kennt.
Deshalb möchte ich Herrn Bernhard einladen, doch bald einmal nach Augsburg zu kommen und hier drei Tage lang unser Gast zu sein. Die Stadt Augsburg wird die Kosten seines Aufenthaltes tragen, und wir werden ihm auch gerne alles zeigen, was immer er sehen will, und ihn auch zum Lech hinführen und ihn mit Menschen aller Bevölkerungsschichten bekannt machen. Und dann wird Herr Bernhard sicher bald sehen und fühlen und riechen, daß Augsburg zwar von einer 2000jährigen Geschichte geprägt, aber doch eine schmucke und muntere Großstadt ist mit quellreinem Trinkwasser und mit sauberen Bürgern. Und daß es hier gar nicht so übel riecht.
Übrigens: Rheumaspezialisten haben wir auch.
So darf ich Sie, sehr verehrter Herr Unseld, höflichst bitten, diese Einladung an Herrn Thomas Bernhard weiterzugeben. Ihrer und seiner Antwort sehe ich erwartungsvoll entgegen.«
Wohl in Reaktion auf Zeitungsberichte, wonach Hans Breuer das Augsburger Rechtsamt angewiesen habe, juristische Maßnahmen zu prüfen (etwa in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 10. August 1974), telegrafiert Th. B. aus Lissabon: »Von Lissabon aus empfinde ich Augsburg noch elementarer scheußlich als in meinem neuen Theaterstück. Mein Mitgefühl mit den Augsburgern und allen in Europa, die sich als Augsburger verstehen, ist ungeheuer grenzenlos und absolut.« ( Frankfurter Allgemeine Zeitung , 12. August 1974)

[303; Anschrift: Ohlsdorf]
     
    Frankfurt am Main
    19. August 1974
    Lieber Thomas Bernhard,
    Ihr Frankfurter Besuch war doch sehr angenehm. Sie sehen, man kann auch in Frankfurt freundlich-angenehm zusammensein.
    In der Anlage schicke ich Ihnen jene Fotos, die Sie ja schon gesehen haben und die meine Frau für Sie noch einmal vervielfältigt hat.
    Ich hoffe sehr!
    Schöne Grüße
    Ihr
    Siegfried Unseld

    Anlage 1
    1   Die Anlage konnte nicht identifiziert werden.

[304; Anschrift: Ohlsdorf]
     
    Frankfurt am Main
    2. September 1974
    Lieber Thomas Bernhard,
    Herr Rischbieter hat mich reinlegen wollen, aber es wird sich gegen ihn wenden:
    Ich erzählte Ihnen bei Ihrem Frankfurter Besuch, daß ich an Rischbieter ein Telegramm geschickt habe. Es bezog sich auf seine alberne Rezension in der »Frankfurter Rundschau«, in der er das Stück ja sehr aggressiv kritisiert und es als höchst reaktionär bezeichnet hat. 1 Wortlaut meines Telegramms: »Warum drucken Sie ein so reaktionäres Stück in ›Theater heute‹ ab?« Nun hat sich Rischbieter gerächt, indem er sich eine journalistische Infamie leistete. Er druckte nämlich ohne jeglichen Hinweis auf die Vorgänge mein Telegramm ab – ohne Kommentar, ohne Hinweis. Er hat noch einmal eine Kritik veröffentlicht, in der dann das Wort »reaktionär« auch gar nicht mehr vorkommt. Kurzum, er wollte mich da reinlegen, aber er wird es nicht schaffen. Jeder halbwegs Vernünftige wird hier riechen, daß etwas nicht in Ordnung ist, denn schließlich gab ich ihm ja die Genehmigung zum Abdruck des Stücks. Andrerseits werde ich die Sache natürlich nicht auf sich beruhen lassen. Er muß in der nächsten Nummer eine Gegendarstellung veröffentlichen, und ich habe schon die einschlägigen Zeitungen zu einer Glosse aufgerufen. 2 Es wird vielleicht noch den einen oder anderen Wirbel geben, aber ich glaube nicht, daß irgend etwas bleiben wird.
    Ich habe die Fernsehausstrahlung noch einmal gesehen. Ich fand das doch vorzüglich gemacht. 3 Minetti in der Großaufnahme war wirklich einzigartig. Er hatte zwar einige Versprecher und ließ auch manches aus, aber insgesamt war das eine sehr gute Sache. Vielleicht etwas zu lang; vielleicht sollte man für die Tournee doch noch eine leichte

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