Der Briefwechsel Thomas Bernhard/Siegfried Unseld
soll.
Gespräch über die edition suhrkamp. Bernhard empfiehlt, wir möchten doch wieder auf originäre, also Erstdrucke von Literatur zurückgehen. Es gäbe für die edition dadurch wieder eine neue Möglichkeit.
Am nächsten Tag war Bernhard krank: Bronchialkatarrh. Zwei Tage später ging er ins Spital, weil er eine Belastung seiner Lungen befürchtete. Ich bekam diesen Katarrh exakt vier Tage später.«
In der Chronik ergänzt S. U. seinen Reisebericht:
» Thomas Bernhard, 29. Dezember 1974
Ich war den ganzen Tag über skeptisch, was sich Bernhard noch ausgedacht haben könnte. So ist zum Beispiel das Manuskript ›Korrektur‹ sicherlich fertig, aber wahrscheinlich gibt er es nicht heraus, weil unsere bisherige finanzielle Vereinbarung ›Korrektur‹ mit einschließt. Er aber möchte wahrscheinlich hierfür noch einen größeren Betrag ›herausholen‹. Das ist eine Vermutung.
Dann hat sich der schlaue Fuchs noch etwas ausgedacht: Bernhard hat jetzt drei Häuser mit teilweise größerem Land- und Waldbesitz. Er hat sich jetzt in Gmunden noch eine Wohnung gekauft [Lerchenfeldgasse 11], die er als sein ›Archiv‹ einrichten möchte, dies gegenüber der Steuer. Er glaubt, eine Möglichkeit zu haben, diese Wohnung, die etwa 140.000.— DM kostete, gänzlich 1974 von seiner Steuer absetzen zu können. Ich meldete hier meine größten Zweifel an, aber er meinte, das sei für ihn möglich. Er hat nun von der Oberbank Gmunden einen Kredit von 100.000.— DM aufgenommen, und er wäre sehr froh, wenn wir diesen Kredit übernehmen könnten. Ich war so ziemlich sprachlos, machte ihm auch keine Zusagen; ich kannte durch ein Gespräch mit Herrn Schaffler seine Steuersituation. Wir werden uns hier überlegen müssen, was wir machen.«
1975
[307]
St. Veit im Pongau, Land Salzburg
26. 1. 75
Lieber Siegfried Unseld,
heute genau vor zehn Jahren bin ich von Bremen nach Frankfurt gereist und ich habe einen ziemlich schwer verkühlten Verleger in seiner Wohnung angetroffen und mit ihm über den Betrag von vierzigtausend Mark verhandelt, den er mir schliesslich gegeben hat. Erinnern Sie sich? Dann bin ich nach Giessen gefahren, habe einen Vortrag gehalten und mit dem Geld habe ich Nathal begründet, mit den vierzigtausend und mit den zehntausend aus Bremen und es hat mir Glück gebracht. 1
Heute erinnere ich Sie an unser beider »Gespräch über Hunderttausend«, das wir, rasch ansteigend auf den Berg in der Nähe des verträumten Kunsthistorikers und seiner Frau im Föhnsturm geführt haben, in jenem Föhnsturm, der unser beider Infekt ausgelöst hat wahrscheinlich und ich bitte Sie, mir die notwendigen Hunderttausend so bald als möglich in die Hand zu geben. Ich habe Alpträume von Zinsen und alles ist nicht notwendig. Es ist für keinen von uns ein Risiko, wenn Sie mir die Hunderttausend zur Deckung meiner Bankschuld (sechzehn Prozent Zinsen) beispielsweise in Salzburg in meine Rocktasche stecken. Denken wir an die vierzigtausend nach Bremen, das war eine Kühnheit des Verlegers! Damals. Wie heute ist es um Geld und Grippe gegangen. Bringen Sie mir bitte den Betrag eigenhändig nach Salzburg und bedenken Sie, 76 haben wir in dieser Stadt wieder eine Uraufführung. 2 Etcetera. Dies ist gleichzeitig eine Aufforderung an Sie, unser vom Virus brutal abgebrochenes Gespräch weiterzuführen. Gut, dass Sie wieder wohlauf sind! Rach habe ich einen wichtigen und ebenso scharfen wie aufrichtigen Brief geschrieben und er hat Ihnen sicher berichtet. 3
Ich selbst bin nach einer Lungenentzündung, die schwer, aber unter Kontrolle meines diensthabenden Bruders im Welser Spital durch viele Millionen von Penicillineinheiten erdrückt worden ist auf drei Wochen in guter Luft im Hochgebirge, da, wo »Frost« geschrieben worden ist und in bester Verfassung. Ich arbeite an dem Lustspiel für Salzburg, dann mache ich »Atzbach« fertig und bin im März in Portugal. Ich hoffe sehr, wir treffen uns vor Mitte Februar in Salzburg, allein, weil wir in dieser Zeit absolut beide immun sind.
Woher ist der Virus gekommen? Herzlich
Thomas B.
1 Siehe Anm. 3 zu Brief 5.
2 Im Original steht versehentlich »66«. Bei den Salzburger Festspielen ist für 1976 die Uraufführung des Theaterstücks Die Berühmten geplant.
3 Der Brief an Rudolf Rach ist auf den 20. Januar 1975 datiert und hat den Wortlaut:
»Ihre (persönliche oder des Theaterverlags) Indiskretion den Burgtheaterdirektor betreffend, hat mir hier in den letzten
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