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Der Briefwechsel Thomas Bernhard/Siegfried Unseld

Der Briefwechsel Thomas Bernhard/Siegfried Unseld

Titel: Der Briefwechsel Thomas Bernhard/Siegfried Unseld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raimund Fellinger
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Straffung vornehmen. – Die anschließende Diskussion wirkte nicht so lemurenhaft, wie sie mir angekündigt war. Die Herren gaben ihr Bestes, und Hilde Spiel ist ja ohnehin gut.
    In den letzten Tagen gab es dann noch einmal Aufregungen mit Augsburg. Der Oberbürgermeister, SPD, war in Urlaub gefahren. Dies benützte ein CSU-Abgeordneter, um sich noch schützender als der SPD-Mann vor das Augsburger Volk zu stellen. Er brachte einen Antrag im bayrischen Landtag ein, und der Ministerpräsident Goppel versuchte, die Fernsehsendung zu verhindern. Aber es gelang nun doch nicht – so blieb eben alles bei »morgen in Augsburg«.
    Ich war in Salzburg vielleicht zu beteiligt und also zu aufgeregt, als daß ich jede Nuance dort hätte aufnehmen können. Jetzt aber habe ich Ihr großes Sprachvermögen und auch Ihre große Leistung des Dramatischen im wahrsten Sinne des Wortes sehr bewundert. Von nun an wird mir das »Präzision zur Gewohnheit machen« ein Leitsatz bleiben. 4
    Herzlich
    Ihr
    [Siegfried Unseld]
    1   Henning Rischbieter: Bankrott auf hohem Niveau , in: Frankfurter Rundschau vom 1. August 1974. Darin heißt es: »Thomas Bernhard ist ein reaktionärer Schriftsteller: dies Stück ›Die Macht der Gewohnheit‹ könnte ebenso heißen – warum heißt es nicht so —: Die Gewohnheit der Macht .«
    2   Henning Rischbieter beschäftigt sich in Theater heute , H. 9, September 1974 unter der Überschrift Salzburg / Strehler / Bernhard (S. 31-36) erneut mit Die Macht der Gewohnheit . Auf S. 34 findet sich das faksimilierte Telefax von S. U. (Datum: 1. August), auf dem handschriftlich vermerkt ist: »Gegenfrage: warum verlegen Sie sowohl Beckett wie Brecht? Mit einem schönen Gruß Henning Rischbieter.« Der Stückeabdruck erfolgt auf S. 37-52. Theater heute , H. 10, Oktober 1974, druckt auf S. 2 eine Gegendarstellung von S. U.:
»Herr Rischbieter veröffentlichte in der September-Ausgabe von ›Theater heute‹ ohne meine Genehmigung den Wortlaut meines Telegramms an ihn. Dieser Wortlaut war für den Empfänger verständlich, nicht jedoch für den Leser der Zeitschrift.
Hier die Fakten:
1. Die Redaktion von ›Theater heute‹ erbat am 24. Juni 1974 einen Abdruck von Thomas Bernhards ›Die Macht der Gewohnheit‹ in ›Theater heute‹; der Suhrkamp Verlag zögerte, weil der Text in der Bibliothek Suhrkamp vorlag, gab dann jedoch der Bitte der Redaktion nach.
2. Am 31. Juli 1974 rezensierte Herr Rischbieter in der ›Frankfurter Rundschau‹ das Stück von Thomas Bernhard. In dieser Rezension schrieb er von der ›reaktionären Ausweglosigkeit‹, von der ›rückwärts gewandten politischen Vorstellungswelt‹ des Stückes und schrieb über den Autor: ›Thomas Bernhard ist ein reaktionärer Schriftsteller.‹
3. Darauf schickte ich Herrn Rischbieter das Telegramm: ›warum drucken sie ein so reaktionäres stück wie «die macht der gewohnheit» in «theater heute» ab? gruß siegfried unseld.‹
4. Die Reaktion von Herrn Rischbieter fand sich dann in der September-Nummer von ›Theater heute‹, in der das Stück abgedruckt wurde. Die Veröffentlichung meines Telegramms geschah jedoch ohne jeden Kommentar, der den Leser informiert hätte, daß die Bezeichnung des Stückes als ›reaktionär‹ ein Zitat war. In derselben Nummer veröffentlichte Herr Rischbieter wieder eine Kritik, in der dann diesmal das Etikett ›reaktionär‹ nicht vorkam.
Die kommentarlose Veröffentlichung des Telegramms mußte beim Leser den Eindruck erwecken, daß der Verleger und Freund Thomas Bernhards das Verdikt von Herrn Rischbieter teilte. Siegfried Unseld «
    3   Das ZDF strahlt am 30. August 1974, 21.30 Uhr, eine Aufzeichnung der Uraufführung von Die Macht der Gewohnheit aus. Anschließend diskutieren Hilde Spiel, Ernst Haeusserman, Curd Jürgens, Josef Kaut und Oscar Fritz Schuh.
    4   »Die Präzision zur Gewohnheit machen« – so lautet die Devise des Dompteurs in Die Macht der Gewohnheit (siehe Th. B.: Werke 16 , S. 52).

[305; Telegramm]
     
    Augsburg
    6. September 1974
    auf dem weg nach strassburg heute in augsburg in zwei tagen mehr 1
    herzlich bernhard
    1   Th. B. besucht Augsburg am 6. September 1974. Laut Augsburger Allgemeine Zeitung (7. September 1974) »war er plötzlich da. Augsburg-Beschimpfer Thomas Bernhard tauchte gestern überraschend in Augsburg auf. Unangemeldet kam er auf Blitzbesuch in die AZ-Redaktion. Über die lokalpatriotische Empörung auf sein Stück ›Die Macht der

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