Der Buick: Roman (German Edition)
bei ihr in ihrer kleinen Leitstelle mit den Telefonen, dem Gehörlosentelefon, der Standortübersichtskarte (auch » D-Karte« genannt) und dem Computerterminal, das den Mittelpunkt unserer hektischen kleinen Welt bildet. Sie zeigte ihm die einzelnen Telefone (das wichtigste ist das rote, über das die Notrufe eingehen). Sie erklärte ihm, dass die Anrufrückverfolgung einmal wöchentlich überprüft werden musste und wie das gemacht wurde, und dass der Dienstplan jeden Tag bestätigt werden musste, damit man wusste, wer auf den Straßen von Statler, Lassburg und Pogus City Streife fuhr, wer vor Gericht erscheinen musste und wer dienstfrei hatte.
» Mein schlimmster Albtraum wäre es, einen Officer zu verlieren, ohne dass ich es mitbekäme«, hörte ich sie eines Tages zu Ned sagen.
» Ist das schon mal passiert?«, fragte Ned. » Dass man … einfach jemand verliert?«
» Ja, einmal«, sagte sie. » Vor meiner Zeit. Schau mal her, Ned. Ich hab dir die Funk-Codes kopiert. Wir verwenden die nicht mehr, aber die Trooper schon noch. Wenn du in der Leitstelle arbeiten willst, musst du die kennen.«
Dann kam sie wieder auf die vier Grundfragen bei ihrem Job zu sprechen und zählte sie ihm noch einmal auf: Ort und Art des Vorfalls, gegebenenfalls Anzahl der Verletzten und Art der Verletzungen und der nächste verfügbare Wagen. Wo, was, Verletzungen, wen schicken – das war ihr Mantra.
Ich dachte: Demnächst übernimmt er das noch. Sie will, dass er die Leitstelle übernimmt. Ihr ist klar, dass sie ihren Job los ist, wenn Colonel Teague oder sonst einer aus Scranton reinkommt und sieht, was er da macht, und trotzdem will sie, dass er es übernehmen kann.
Und ob man’s glaubt oder nicht: Eine Woche später saß Ned doch tatsächlich am Pult von PCO Pasternak in der Leitstelle, erst nur, wenn sie mal auf Toilette war, dann aber immer häufiger und auch länger, wenn sie sich einen Kaffee holte oder auf dem Hof eine rauchen war.
Als der Junge zum ersten Mal merkte, dass ich ihn ganz allein da sitzen sah, zuckte er zusammen und lächelte mich dann schuldbewusst an, als wäre ich seine Mutter und hätte ihn dabei erwischt, wie er die Hand unter dem Pulli seiner Freundin hatte. Ich nickte ihm zu und ging, ohne zu überlegen, weiter meiner Wege. Shirley hatte die Leitstelle der Statler Troop D einem Jungen überlassen, der sich gerade dreimal pro Woche rasieren musste, und fast ein Dutzend Trooper draußen im Einsatz wurden in diesem Moment von hier aus dirigiert, aber deshalb verlangsamte ich meinen Schritt nicht und blieb schon gar nicht stehen. Wir sprachen ja immer noch über seinen Vater. Shirley und Arky ebenso wie ich und die anderen State Trooper, mit denen Curtis Wilcox über zwanzig Jahre lang gedient hatte. Auch wenn wir nicht über ihn sprachen, war er immer gegenwärtig. Und manchmal ist es besser, sich das einfach nur anmerken zu lassen, statt viele Worte darum zu machen.
Als er mich nicht mehr sehen konnte, blieb ich aber doch stehen. Und stand dann da. Und lauschte. Am anderen Ende des Raums, vor den Fenstern zur Straße hinaus, stand Shirley Pasternak mit einem Styroporbecher Kaffee in der Hand und sah mich an. Neben ihr stand Phil Candleton, der gerade Dienstschluss hatte und schon in Zivil war. Auch er sah mich an.
In der Leitstelle meldete sich das Funkgerät. » Zwölf für Statler«, sagte eine Stimme. Sprechfunk verzerrt die Stimmen, aber ich kenne meine Männer. Es war Eddie Jacubois.
» Hier Statler, ich höre«, antwortete Ned ganz ruhig und gelassen. Falls er Angst hatte, Mist zu bauen, war es ihm nicht anzuhören.
» Statler, ich habe hier einen VW Jetta, Kennzeichen vierzehn-null-sieben-drei-neun-Foxtrott aus PA , an der County Road 99 angehalten. Ich brauche einen 10-28, verstanden?«
Shirley lief hinüber. Ein wenig Kaffee schwappte ihr aus dem Becher. Ich hielt sie am Ellbogen zurück. Eddie Jacubois war da draußen auf einer County Road, hatte gerade wegen irgendeines Vergehens – vermutlich überhöhte Geschwindigkeit – einen Jetta angehalten und wollte nun wissen, ob über Wagen oder Halter irgendwas vorlag. Er wollte das wissen, weil er gleich aus dem Streifenwagen steigen und zu dem Jetta gehen würde. Er wollte es wissen, weil er, wie jeden Tag, sein Leben aufs Spiel setzen würde. War der Jetta vielleicht gestohlen? War er im Verlauf des vergangenen halben Jahres an einem Unfall beteiligt gewesen? Hatte der Halter wegen häuslicher Gewalt vor Gericht gestanden? Hatte er
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