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Bismarck 01

Bismarck 01

Titel: Bismarck 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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Bismarcks Werden
    »Dominus Otto v. Bismarck!« Der Universitätsrichter putzte sorgfältig seine Brille und setzte sie feierlich wieder auf, um den Übeltäter mit besonderer Strenge ins Auge zu fassen. »Das sind ja schöne Geschichten, die ich höre. Erst 17 Jahre alt, wie ich aus der Liste ersehe, so jung und schon verdorben! Oder, um ein nicht so hartes Wort zu brauchen, so jung und schon so...«
    »Kindisch!« ergänzte der hochaufgeschossene Jüngling fröhlich, schlank und spitz wie eine Nadel. Seine blauen Augen blitzten dabei unter buschigen blonden Brauen und seine rosige Gesichtsfarbe verriet eine Urgesundheit von des Gedankens Blässe und der Gymnasialluft wenig angekränkelt.
    »Silentium! So unbescheiden, wollte ich sagen. Kaum sind Sie in Göttingen angelangt, erst 24 Stunden, da machen Sie schon Skandal, erregen öffentliches Ärgernis. Was ist das für ein Aufzug, in dem Sie daherkommen! Ist das vielleicht die neueste Berliner Mode?«
    Der Anzug des Studiosus v. Bismarck vereinte freilich in glücklicher Weise den Zylinderhut eines Dandy mit der Jacke eines Zirkusreiters und den Kanonenstiefeln eines Kürassierleutnants. Der junge Mensch sah so phantastisch aus, als wolle er, von der dumpfen Haft des Gymnasiums befreit, sozusagen aus der Haut fahren. Aber zugleich lag etwas so Urwüchsig-Humorvolles in seiner Haltung, daß der Universitätsrichter leise schmunzelte, als er in die neckisch blinzelnden blauen Gucker dieses kaum dem Knabenalter entwachsenen Burschikosus schaute. Der spitzte unwillkürlich den Mund, als wollte er irgendeinen hauptstädtischen Gassenhauer anstimmen. Er begnügte sich aber, würdevoll zu versichern: »Jeder zieht sich an, w« er kann. Jeder nach seinem Geschmack!«
    »Hören Sie, junger Mann, solch« dreisten Antworten müssen Sie sich abgewöhnen. Das riecht nach vorlautem Berlinertum, in der Alma mater Göttingen ist man nicht auf solcher Höhe. Menschen und Hunde sind Ihnen nachgelaufen und dabei habenSie noch allerlei Faxen gemacht, um Ihr provokantes Auftreten zu verschlimmern. Aus Ihrer Wohnung warfen Sie eine Flasche aus dem Fenster, so daß drunten in der Straße die Scherben herumflogen.«
    »Das ging so zu: als ich hier ankam, traf ich einen oberflächlich Bekannten von Berlin her, einen Herrn v. Dronthahn, der hat mich verschleppt unter lauter Mecklenburger. Denen gab ich ein Frühstück, und da ist die Flasche man so rausgekollert.«
    »Ach Gott, ist Ihnen wohl aus der Hand gerutscht? Machen Sie mir das vor? Den Tatbestand!« Der Angeklagte setzte sich in Positur und zeigte sich bereit, des Richters Wißbegier zu befriedigen, indem er ein Lineal ergriff. »Halt, halt! Wollen Sie wohl liegen lassen! Warum nicht gar das Tintenfaß! Bitte, nur die Muskelbewegung!« Dies veranschaulichte der Berliner mit entsprechendem Schwung. » Bene, Optime ! Also freier Wille zum Wurf vorhanden.« Die wissenschaftliche Gründlichkeit der Untersuchung vertiefte sich. »Vorhin, junger Mann, hetzten Sie mir einen Riesenköter auf den Leib. Ich hätte das Biest passieren müssen, als ich aufstand.«
    »Rief ihn doch gleich an der Schwelle zurück, das gute Tier«, verteidigte der gesegnete Besitzer sein Kleinod.
    »Über die Güte läßt sich streiten, über die Bissigkeit kaum, der Maulkorb fehlt. Solche Ungesetzlichkeit pöne ich mit fünf Talern Ordnungsstrafe. Überhaupt – Sie wollen wohl Aufsehen erregen? Schmeckt nach revolutionärer Gesinnung. Das sollte ein Adliger, wie Sie, vermeiden. Die heutige Jugend verdient scharfe Überwachung. Unser allergnädigster König lieben nicht solche renitenten Schwarmgeister in allerhöchst ihren Staaten. Se. Majestät blicken ungnädig auf fremde Studenten dieser Art.«
    »Und dito auf Professoren«, bemerkte der junge Bismarck halblaut mit Anspielung auf bekannte Vorgänge und Äußerungen des Welfenkönigs und seines ihm später nachfolgenden Bruders, der Professoren und bezahlte Dirnen auf gleiche Stufe stellte. Der Universitätsrichter runzelte die Stirn:
    »Da haben wir's. Unterlassen Sie solche altklugen Scherze! Ich wittere in Ihnen eine Infektion umstürzlerischer Elemente. Sind wohl Burschenschafter?«
    »Ich bin noch gar nichts.« Der Jüngling zuckte die Achseln. »Allerdings möchte ich wohl in burschenschaftliche Verbindung eintreten.«
    »Dachte mir's. Nehmen Sie sich in acht! Die Behörden lassen nicht mit sich spaßen. Unsere Zeit ist wenig dazu angetan, mit Milde jugendliche Tollheit zu schonen.« Er sagte es jedoch in

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