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Der Chancellor

Titel: Der Chancellor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Leard in Liverpool.
    Da das Schiff eigens zum Baumwollentransport eingerichtet ist, so wurde die Ladung mit größter Sorgfalt verstaut. Bis auf einen kleinen für das Passagiergepäck freigelassenen Theil nehmen jene Ballen den ganzen Schiffsraum ein und bilden, da sie mittels Winden sehr fest verschnürt sind, nur eine äußerst compacte Masse. Kein Eckchen des unteren Raumes ist auf diese Weise unbenutzbar geblieben,ein günstiger Umstand für ein Schiff, welches dabei seine volle Waarenladung aufzunehmen vermag.

IV.
    Vom 30. September bis 6. October. –
    Der Chancellor ist ein schneller Segler, der viele Schiffe von gleicher Größe leicht überholen würde, und seitdem die Brise aufgefrischt hat, läßt er einen langen, kaum übersehbaren Streifen wirbelnden Kielwassers hinter sich, so daß man ein langes weißes Spitzengewebe, das auf dem Meere wie auf blauem Untergrunde hingebreitet läge, zu sehen vermeint.
    Der Ocean ist vom Winde nur wenig bewegt. So viel ich weiß, wird Niemand an Bord von dem Schwanken und Stampfen des Schiffes besonders belästigt. Uebrigens befindet sich keiner der Passagiere auf der ersten Ueberfahrt und sind Alle mehr oder weniger mit dem Meere vertraut. Zur Zeit des Essens bleibt jetzt kein Platz am Tische leer.
    Zwischen den Passagieren knüpfen sich allmälig Verbindungen an und das Leben an Bord gestaltet sich minder einförmig. Der Franzose, Mr. Letourneur, und ich, wir plaudern häufiger mit einander.
    Mr. Letourneur ist ein Mann von fünfzig Jahren, hohem Wüchse, weißem Haar und ergrauendem Barte. Er erscheint noch älter, als er wirklich ist, – eine Folge langjährigen Kummers, der an ihm nagte und ihn auch heute noch verzehrt. Offenbar trägt dieser Mann eine nie versiegende Quelle der Traurigkeit mit sich herum, was man an seinem herabgekommenenKörper und dem häufig auf die Brust niedersinkenden Kopfe leicht erkennt.
    Nie lacht er, nur selten lächelt er, und dann nur seinem Sohne gegenüber. Seine Augen sind sanft, blicken aber stets nur wie durch einen feuchten Schleier. Sein Gesicht verräth eine ganz charakteristische Mischung von Kümmerniß und Liebe, und seine ganze Erscheinung athmet eine gewisse wohlwollende Güte.
    Man kommt auf den Gedanken, daß Mr. Letourneur über irgend ein unverschuldetes Unglück traure.
    So ist es auch; doch wer sollte kein schmerzliches Mitgefühl empfinden, wenn er die wirklich übertriebenen Vorwürfe hört, die er sich als »Vater« selbst macht!
    Mr. Letourneur ist nämlich mit seinem etwa zwanzigjährigen Sohne André, einem sanften, einnehmenden jungen Manne, an Bord. Dieser hat zwar im Gesicht einige Aehnlichkeit mit seinem Vater, aber – und das ist eben die Ursache des nie gestillten Schmerzes des Letzteren, – André ist gebrechlich. Sein linkes, stark nach außen verrenktes Bein zwingt ihn zu hinken, so daß er ohne Stock, auf den er sich stützt, gar nicht gehen kann.
    Der Vater betet sein Kind an, und man sieht, daß dessen ganzes Leben jenem unglücklichen Wesen gewidmet ist. Er leidet durch das angeborene Gebrechen des Sohnes weit mehr, als sein Sohn selbst, und erbittet von diesem wohl dann und wann Verzeihung! Seine Hingebung gegen André äußert sich jeden Augenblick von Neuem. Er verläßt ihn nicht, belauscht seine geheimsten Wünsche, achtet auf Alles, was Jener thut. Seine Arme gehören mehr demSohne, als ihm selbst, sie umschlingen ihn und unterstützen ihn, wenn sich der junge Mann auf dem Verdeck des Chancellor ergeht.
    Mr. Letourneur hat sich mir enger angeschlossen, und spricht unausgesetzt von seinem Kinde. Heute sprach ich ihn folgendermaßen an: »Eben komme ich von Mr. André. Sie haben einen guten Sohn, M. Letourneur, er ist ein begabter und unterrichteter junger Mann.
    – Ja wohl, Mr. Kazallon, antwortet mir Mr. Letourneur, dessen Lippen ein schwaches Lächeln versuchen, eine schöne Seele in einem elenden Körper, – die Seele seiner armen Mutter, welche starb, als sie ihm das Leben gab.
    – Er liebt Sie sehr.
    – Das gute Kind! flüstert den Kopf senkend Mr. Letourneur. O, fährt er dann fort, Sie können es nicht mit fühlen, was ein Vater leidet beim Anblick seines gebrechlichen, von Geburt auf gebrechlichen Kindes!
    – Mr. Letourneur, erwiderte ich ihm, bei dem Unglück, welches Ihren Sohn betroffen hat, theilen Sie die Last nicht ganz gerecht. Ohne Zweifel ist André tief zu beklagen, aber ist es denn gar nichts, von Ihnen so wie er geliebt zu werden? Eine Körperschwäche erträgt

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