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Der Chefarzt

Titel: Der Chefarzt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Argirov Valentin
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nicht … wir hätten eine große Entdeckung gemacht? Seit geraumer Zeit weiß man eine Menge darüber.«
    »Nicht mit letzter Sicherheit. Wir sind die ersten, die es in diesem Umfang bewiesen haben.«
    Thimm fuhr fort: »Fortgesetzten Alkoholkonsum vorausgesetzt, führt diese Fettleberentzündung nicht nur zum Untergang der Leberarchitektur, stimmt's?«
    »Ja.«
    »Die Entzündung setzt auch in der daraus resultierenden Leberzirrhose ihr Zerstörungswerk fort … bis zum funktionellen Zusammenbruch des Organs.«
    »Willst du die Sache heute noch loswerden?«
    »Wir haben diesen gottverfluchten Kram in vier Jahren mühevoller Kleinarbeit gesammelt …«
    »Mir wird unbehaglich zumute, wenn ein Pathologe so feierlich wirkt. Hast du eine Zigarette?«
    »Wir sollten darauf einen Schnaps trinken«, sagte Stephan. Sie befanden sich in ihrem Labor, und er hatte tatsächlich eine Flasche Apfelschnaps bereitgestellt.
    »Die Schlußfolgerung, die sich aus dieser Sklavenarbeit ergibt, ist lebensrettend: Die alkoholischen Leberzirrhosen früher Stadien bleiben, Alkoholkarenz vorausgesetzt, voll funktionstüchtig. Darin sehe ich deine Chance.«
    »Willst du mich loswerden?«
    »Hör zu und versuch, mich zu verstehen. Du weißt, wie ich es meine. Du bist kein Wissenschaftler und wirst nie einer werden . Das müssen wir beide einsehen. Du bist Kliniker, und deine Stärke sind deine Patienten. Es ist an der Zeit, daß du hier rauskommst. Du kennst dich bei den Lebererkrankungen aus wie kaum ein anderer. Die Ergebnisse unserer Arbeit solltest du deinen Patienten zugute kommen lassen. Du weißt, worauf es ankommt, und könntest für sie fast immer … ein paar Jahre rausschinden.«
    »Was wird aus dir?«
    »Darum geht es jetzt nicht, es geht um dich. Als nächstes solltest du die spezielle Magendiagnostik in Angriff nehmen. Die Frühdiagnose des Magenkrebses zum Beispiel. Die subtilen Untersuchungsmethoden wie Gastrokamera und Gastroskopie. Die Japaner sind ganz groß darin.«
    »Wenn du an eine Studienreise nach Japan für mich gedacht hast …«
    »Ich habe daran gedacht.«
    »Vergiß es. Mein Vater ist ein kleiner Mann, der immer mehr Stolz als Geld besaß. Auerbach wird sich kaum um ein Stipendium für mich bemühen. Bedauere, aus deinen ehrgeizigen Plänen über meine glanzvolle Zukunft wird nichts.«

9
    Bertram schien es, als würde es Malvina Auerbach unerträglich sein, spräche man darüber.
    »Sie sollten mich nicht so anstarren«, sagte sie aufgebracht. »Verdammt, ich bin immer noch dieselbe.«
    »In der Tat.« Bertram versuchte mit einem Lächeln seine Überraschung zu verbergen. Mit Mühe löste er seinen Blick von ihr. Die zuvor langen Haare der Kollegin Auerbach wiesen an diesem Morgen eine Länge von knapp zwei Zentimetern auf, am Hinterkopf standen sie aufrecht. (Er war kein Kinogänger und hatte noch nie diese Art Frisur bei einer Frau gesehen.)
    »Alle haben mich angestarrt.« Ihre Stimme war aggressiv. »Kollege Sautié hat gleich die Visite unterbrochen, die Schwestern haben gekichert …« Sie streifte sich den weißen Kittel über, während er vergeblich nach einer Zigarette suchte.
    »In der mittleren Schublade sind welche«, sagte sie. »Alle glauben, ich wäre übergeschnappt. Sie auch!«
    Was war mit der kleinen Auerbach los, war sie über ihren eigenen Mut erschrocken? Dabei stand ihr diese verrückte Frisur nicht schlecht. »Keine heftigen Äußerungen über die Moral der anderen«, scherzte er, »sie können niemand mit Phantasie beflügeln. Den Kollegen Sautié jedenfalls nicht.« Er lächelte sie an und log: »Ich finde die Frisur gut.« Ihr Gesicht hatte dadurch gewonnen. Erst jetzt sah man, wie fein ihr Kopf geschnitten war, die Backenknochen kamen besser zur Geltung. Ihrem Lächeln entnahm er, wie schwer ihr die Geschichte fiel. Der Gedanke, daß sie eitel sein könnte, war ihm neu.
    Ihre gemeinsame Arbeit hatte sich immer besser entwickelt. Sie war kollegial und nahm ihm eine ganze Menge lästiger Arbeiten auf der Station bereitwillig ab. Sie gab sich abweisend und er hatte eine Zeit gebraucht, um herauszufinden, daß sie im Grunde schüchtern war. Ihre joviale Art täuschte, wie auch ihr zierliches Aussehen trügerisch war. Sensibel und kompliziert, ließ sie niemand an sich heran. Sie war zäh und ausdauernd.
    »Ziehen Sie sich nicht gleich zurück, um Ihre Wunden zu lecken. Ich verstehe Ihre Aufregung nicht.«
    »Ich mag nicht, wenn man mich lächerlich findet.« Sie lächelte ihn ein

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