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Der Clan der Otori – Der Ruf des Reihers

Titel: Der Clan der Otori – Der Ruf des Reihers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lian Hearn
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Nacken, wobei er das harte, schrundige, von den Flammen verbrannte Gewebe spürte. »Solange wir vereint sind, wird unser Land friedlich und stark bleiben.«
    Kaede klang schon schläfrig. »Weißt du noch, wie wir in Terayama auseinandergegangen sind? Du hast mir in die Augen geschaut und ich bin eingeschlafen.Das habe ich dir nie erzählt. Ich habe von der Weißen Göttin geträumt – sie hat zu mir gesprochen. Hab Geduld , hat sie gesagt, er wird dich holen . Und in den Heiligen Höhlen hat sie mir noch einmal das Gleiche gesagt. Ohne diese Worte hätte ich die Gefangenschaft bei Lord Fujiwara nicht überstanden. Dort habe ich Geduld gelernt. Ich war gezwungen zu lernen, wie man wartet, wie man nichts tut, um ihm keinen Vorwand zu bieten, mich zu töten. Und später, als er tot war, wollte ich nur an einen Ort: zurück zu den Höhlen, zurück zur Göttin. Wenn du nicht gekommen wärst, hätte ich ihr dort für den Rest meines Lebens gedient. Aber du bist gekommen: Ich habe dich gesehen, so mager, immer noch mit dem Gift im Körper, deine schöne Hand verkrüppelt. Diesen Augenblick vergesse ich nie – deine Hand auf meinem Nacken, der fallende Schnee, der gellende Ruf des Reihers …«
    Â»Ich verdiene deine Liebe nicht«, flüsterte Takeo. »Sie ist der größte Segen meines Lebens und ohne dich kann ich nicht leben. Du weißt ja, dass auch mein Leben im Zeichen einer Prophezeiung stand …«
    Â»Das hast du mir erzählt. Und alles hat sich erfüllt: die fünf Schlachten, wie die Erde dir beisprang …«
    Jetzt erzähle ich ihr den Rest , dachte Takeo. Ich erzähle ihr, dass ich keine Söhne will, weil mir die blinde Seherin prophezeit hat, ich könne nur durch die Hand meines Sohnes sterben. Ich erzähle ihr von Yuki und dem Kind, das sie geboren hat, von meinem Sohn, der inzwischen sechzehn Jahre alt ist.
    Doch er brachte es nicht über das Herz, seiner Frauwehzutun. Welchen Sinn hatte es, in der Vergangenheit zu wühlen? Die fünf Schlachten waren in den Mythos der Otori eingegangen, obwohl er natürlich wusste, dass er diese Schlachten auf seine Weise gezählt hatte: Es hätten auch sechs oder vier oder drei sein können. Worte konnte man drehen und wenden, bis sie alles Mögliche bedeuteten. Wenn man an eine Prophezeiung glaubte, erfüllte sie sich oft. Und nun schwieg er, weil er den Worten kein Leben einhauchen wollte.
    Er sah, dass Kaede fast eingeschlafen war. Unter den Decken war es warm, im Zimmer jedoch eiskalt, das spürte er im Gesicht. In Kürze würde er aufstehen, ein Bad nehmen, die offiziellen Gewänder anlegen und sich auf die Zeremonien vorbereiten, mit denen man das Neue Jahr begrüßte. Ihm stand eine lange Nacht bevor. Allmählich entspannten sich seine Glieder und auch er schlief ein.

KAPITEL 2

    Den Zugang zum Tempel von Inuyama mochten alle drei Töchter Lord Otoris ganz besonders gern, denn er war von Hundestatuen gesäumt, zwischen denen Steinlaternen standen, in denen anlässlich der großen Feste bei Nacht Hunderte von Lampen brannten. In ihrem flackernden Schein wirkten die Hunde fast lebendig. Die Luft war so kalt, dass Gesichter, Finger und Zehen taub wurden. Sie war rauchgeschwängert, erfüllt von Weihrauch und dem Duft frisch geschlagener Kiefern.
    Gläubige, die den ersten heiligen Besuch des Neuen Jahres machten, standen auf den steilen, zum Tempel führenden Stufen Schlange, und oben schlug die große Glocke und jagte Shigeko einen Schauder über den Rücken. Ihre Mutter war ihr ein paar Schritte voraus, sie ging neben Muto Shizuka, ihrer liebsten Gefährtin. Shizukas Mann, Dr. Ishida, bereiste wieder einmal das Festland. Er wurde nicht vor dem Frühjahr zurückerwartet. Shigeko freute sich darüber, dass Shizuka den Winter mit ihnen verbrachte, denn sie war einer der wenigen Menschen, den die Zwillinge achteten und auf den sie hörten. Und Shizuka wiederum, dachte Shigeko, hatte die beiden in ihr Herz geschlossen und verstand sie.
    Die Zwillinge gingen neben Shigeko, eine rechts, eine links. Hin und wieder starrte sie jemand aus der Menge an und wich zurück, um nicht aus Versehen mit ihnen zusammenzustoßen. Doch den meisten Besuchern fielen sie im Zwielicht gar nicht auf.
    Shigeko wusste, dass an der Spitze und am Ende des Zuges Wachen marschierten und dass Shizukas Sohn, Taku, auf ihren

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