Der Club der Serienkiller
Stimme ist nie lauter als ein heiseres Flüstern, und ich muss genau hinhören, um zu verstehen, was er sagt.
»Ich hab eine großartige Idee für einen Roman«, zischt er, offenbar kommt er langsam in Fahrt.
»Wo.« Ich tue, als wäre ich beeindruckt. »Worum geht es denn?«
»Um meine Kindheit - es ist zum Teil autobiografisch. Also... eigentlich geht es um meine Mutter.«
»Hast du schon einen Titel?« Ich habe bereits eine Vermutung. Mutti, das Miststück. Sie geben immer ihrer Mutter die Schuld - immer.
»Ich habe zwar ein paar Ideen, aber noch nichts Konkretes. Er soll allerdings schön einfach sein. So was wie Und die Liebe, du Miststück?«
»Genialer Titel.«
»Meinst du?«
»Wenn ich das in einem Buchladen sehe, würde ich sofort zugreifen.«
William lächelt und bläst etwas Rauch in die Luft; James Mason atmet die Schwaden ein und greift sofort nach seinen extrastarken Filterlosen.
William will mir unbedingt eine Geschichte erzählen, die ich bereits hundertmal gehört habe. Fast wünschte ich, ich würde neben jemand anders sitzen, doch im Grunde trägt das alles zu der fantastischen Atmosphäre bei, und so lasse ich Williams Wortschwall auf mich herabprasseln wie eine Tasse warmer Milch.
»Es fing alles beim Baden an. Ich war ungefähr acht Jahre alt. Meine Mom war sehr spirituell und betrachtete die Badwanne als eine Art kleinen Jordan. Jeden Abend drückte sie mich unter Wasser, bis ich gereinigt war. Ich hab meine ganze Kindheit praktisch unter Wasser verbracht.«
Keine fünf Minuten reden wir über Wasser, und schon muss ich dringend auf Toilette.
Ich kichere immer noch über Burts saukomische Geschichte, als ich einen Typen bemerke, der mich anstarrt, als könnte er nicht begreifen, was so komisch daran ist zu pinkeln. Er ist groß, attraktiv, tadellos gekleidet und sieht mehr oder weniger aus wie der typische Amerikaner. Ich versuche es ihm zu erklären.
»Ich habe gerade die witzigste Geschichte aller Zeiten gehört.«
Der Mann nickt schwach und scheint mit seinen
stechenden Augen für einen Moment tief in mein Inneres zu blicken, als würde er irgendwas suchen, wie ein Computer, der seine Festplatte durchforstet. Ich fühle mich ein wenig unwohl, weiche seinem Blick aus und tue so, als müsste ich erneut kichern.
»Mit tut vor lauter Lachen schon der Bauch weh.«
Der Mann verlässt die Toilette, doch als er an mir vorbeigeht, tut er etwas absolut Seltsames. Er legt mir die Hand auf die Schulter und drückt sie leicht.
»Schön, Sie kennenzulernen«, flüstert er. Dann ist er verschwunden und lässt mich mit dem Gefühl zurück, belästigt worden zu sein. So etwas tut man nicht - sich beim Pinkeln berühren. Das ist ein klarer Bruch mit einem Tabu, das seit den Anfängen unserer Zivilisation existiert. Ich bin mir sicher, selbst die Höhlenmenschen wussten, dass man sich beim Pissen nicht anfasst.
Ich ziehe den Reißverschluss zu, schaffe es jedoch nicht, diese Berührung abzuschütteln. Es kommt mir fast so vor, als läge seine Hand noch immer auf meiner Schulter.
Im nächsten Moment stürzt Tony Curtis in die Toilette; auch er lacht. »Dieser Burt... Mann, der weiß wirklich, wie man Geschichten erzählt. Ich hätte nie gedacht, dass eine Enthauptung so komisch sein kann.«
Ich versuche mich wieder zu sammeln. »Allerdings. Es war, äh... es war unglaublich.«
»Er könnte auch von einer Blinddarmentzündung erzählen, er ist einfach irre witzig...«
Während Tony rekordverdächtig lang und laut pinkelt, wirft er mir einen Blick zu. »Dieser Burt ist echt ein Wahnsinnstyp.«
Ich schaue ebenfalls zu ihm hinüber, und für einen Moment kommt es mir vor, als wären wir ganz alte Kumpel, und ich lächle. »Allerdings. Der absolute Wahnsinn. Er sollte seine eigene Fernsehsendung kriegen.« Lachend drehe ich den Wasserhahn auf. Ich achte darauf, meine Hände gründlich abzureiben, denn Tony hat schon Leute wegen ihrer mangelnden Sauberkeit und schlechten Manieren getötet. Schlauerweise ignoriert er dabei die Tatsache, dass er einem beim Sprechen ständig ins Gesicht rülpst.
»Die Enthauptungs-Show«, presst Tony rülpsend hervor, dann verschwindet er. Ohne sich die Hände zu waschen.
Es war mal wieder ein fantastischer Abend im Club, und als ich nach Hause komme, bin ich so aufgedreht, dass ich nicht schlafen kann. Das ist wirklich ein tolle Truppe. Was aber noch wichtiger ist: Sie akzeptieren mich - und das ist mehr wert, als wenn man mich in Gold aufwiegen würde.
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