Der Club der Serienkiller
gekommen.«
Ich weiß noch, dass das Wort Opfer wie die Freiheitsglocke gegen meine Stirn knallte, mein ganzer Kopf schien nach hinten zu schwingen, zurückgeworfen von seiner Wucht. Ich hockte da in der Hoffnung, dass jemand Tony korrigierte und dazu brachte, das Wort auszusprechen, dass er eigentlich meinte.
Doch niemand sagte etwas.
»Wie auch immer, die zwei stehen wie angewurzelt da, als dieser blöde Student zu sich kommt und Alarm schlägt. Darauf machen Rock und Roger sich zusammen aus dem Staub. Rocks Mietwagen hat prompt einen Platten, also bietet Roger ihm an, ihn mitzunehmen, und sie schaffen es ohne Zwischenfall bis über die Staatsgrenze.«
Meine Augen traten immer weiter aus ihren Höhlen.
»Die beiden sind schließlich hier gelandet, wo wirjetzt sitzen - in diesem Lokal...« Tony ruderte erneut mit seinem massigen Arm, als würde er eine Touristengruppe an bekannten Hollywood-Wahrzeichen vorbeiführen. »Und der Name Grillers schien ihnen irgendwie passend, er reimt sich schließlich auf Killer - na ja, fast.«
Es gelang mir nicht, das anschwellende Dröhnen in meinem Kopf abzuschütteln. Hätte man es in Worte gefasst, hätte es mich aufgefordert: »Raus hier! Sofort! Mach, dass du abhaust, du dämlicher -«
»Sie haben sich in eine der Nischen für zwei Personen dort drüben verzogen, sich was zu essen bestellt und ein paar Bier.«
»Budweiser.« Roger nickte mir zu, um sicherzugehen, dass ich auch jede Einzelheit mitkriegte.
»Ich hatte Hühnchen, Roger Fisch«, ergänzte Rock.
Und ich hatte das Gefühl, ich müsste mich übergeben.
»Als die beiden ins Gespräch kamen, beschlossen sie, sich das nächste Mal bei der Wahl ihres Opfers abzusprechen - nur für den Fall, dass sie sich noch mal dieselbe Person aussuchen.«
Ich fühlte mich, als würde mein geliehener Anzug mich von Sekunde zu Sekunde fester umschließen und das Leben aus meinem Körper pressen.
»Sie haben viel über die Gründe für ihre Taten gesprochen, darüber, wer ihrer Meinung nach in Wirklichkeit schuld daran ist, dass sie sich von ganz normalen, anständigen Bürgern in böse Serienkiller verwandelt hatten.«
Bei dem Wort Serienkiller prustete ich laut über den Tisch; ich musste mich zwingen, einen aufsteigenden Schwall Gallenflüssigkeit herunterzuschlucken. Hilfesuchend ließ ich meinen Blick durchs Restaurant wandern. Außer ein paar fülligen Damen und einem älteren Herrn mit seinem Enkel war niemand hier. Die Holzwände rückten immer näher, und mich beschlich das schreckliche Gefühl, in einem riesigen Sarg zu hocken. Ich kriegte keine Luft mehr.
»Aber warte, jetzt wird’s erst richtig lustig.« Tony musste lachen und schüttelte den Kopf. »Das versetzt mir immer noch einen Kick. An besagtem Abend saß ich nämlich zufällig in der Nische direkt hinter R und R. Ich
kam gerade von der Schicht - und hol’s der Geier, aber ich hab mich über die Trennwand gebeugt und meinte zu den beiden, dass wir wirklich verdammt viel gemeinsam hätten.« Tony schüttelte immer noch den Kopf und tupfte sich währenddessen Schweißperlen von der Oberlippe. Er schaute mir direkt in die Augen, und alles, was ich hervorbrachte, war ein leises Wimmern. »Kurz darauf fingen wir an, uns einmal pro Woche zu treffen. Und nach einer Weile beschlossen wir, einen Club zu gründen. Einen Treffpunkt für Serienmörder, wo man Geschichten austauschen und die Bekanntschaft gleichgesinnter Psychopathen machen kann. Hey, es ist wie bei allen anderen Minderheiten auch - es gibt heutzutage einfach keine Möglichkeiten mehr, sich in Ruhe zu treffen.«
Das Zimmer um mich herum drehte sich wie ein Karussell auf Höchstgeschwindigkeit. Ich konnte nichts mehr erkennen außer den versammelten Serienkillern, die bedrohlich an mir vorbeiwischten. Ich klammerte mich an der Tischkante fest, bis meine Finger wehtaten.
»Wir haben so viele Serienmörder kontaktiert, wie wir nur konnten. Mein Job als Cop war dabei natürlich recht nützlich, kannst du dirja vorstellen. Die anderen meinten, dass wir ganz ordentliche Arbeit geleistet haben.«
»Ja, wirklich super, Tony.«
»Mehr als das.«
»Verdammt nochmal, das hier ist der beste Club, dem ich je angehört habe.«
Die anderen Killer starrten mich an und bekundeten beflissen ihre Zustimmung. Ich ließ meinen Blick reihum über die Mitglieder schweifen, und alles, was ich denken konnte, war: Das ist ein Witz, oder? Ein Komplott.
Irgendwo ist eine Kamera versteckt. Allmächtiger, sagt mir, dass
Weitere Kostenlose Bücher