Der Club der Serienkiller
PROLOG: CLUB SERIEMÖRDER
Ich schätze, es passiert nicht alle Tage, dass einem ein toter Serienmörder zu Füßen liegt.
Ich ging wie üblich meiner Wege, als plötzlich dieser Irre aus den Schatten springt, mit einem großen Messer auf mich losgeht und brüllt, dass er mir das Herz rausschneiden will. Damals arbeitete ich noch als Packer auf einer Werft und war sehr viel durchtrainierter, als es für andere - und damit auch für Serienmörder - den Anschein hatte. Ich setzte mich wie ein Verrückter zur Wehr, und schließlich steckte das Messer in seinem Körper. Keine Ahnung, wie es dahin gekommen war, aber offensichtlich unterschätze ich manchmal meine eigenen Kräfte.
Zwar kann ich mich nicht mehr an jede Einzelheit erinnern - das ist bereits vier Jahre her -, doch nachdem sich mein Schreck etwas gelegt hatte, wollte ich unbedingt mehr über meinen verhinderten Mörder erfahren, also schaute ich einfach in seiner Brieftasche nach. Darin stieß ich - neben ein paar mickrigen Dollars - auf einige Zeitungsausschnitte, in denen seine Karriere als Killer ausführlich beschrieben wurde. Offenbar genoss
er die Aufmerksamkeit, die man ihm entgegenbrachte, denn jeder Artikel war fein säuberlich gefaltet und steckte in einem durchsichtigen Kreditkartenfach, sodass er jederzeit seine Brieftasche aufklappen und sich an seinen eigenen Taten berauschen konnte. Außerdem trug er die Kopien mehrerer großspuriger Botschaften bei sich, die er an die Medien geschickt und alle mit »Hochachtungsvoll, Grandson-of-Barney« unterzeichnet hatte. Ich muss zugeben, dass es mir bei ihrem Anblick eiskalt den Rücken runterlief. Das Fernsehen hatte über seine Taten berichtet-wahrscheinlich mit Millionenquoten-, und ich hatte ihn hautnah erlebt.
Ich fand heraus, dass ich Grandsons sechstes Opfer gewesen wäre, und ich glaube, dass diese Erkenntnis mehr als alles andere in meinem Leben eine Offenbarung für mich war. Der Ausdruck »Offenbarung« stammt allerdings nicht von mir; sondern vom Bundesbeamten Kennet Wade, einem großartigen Burschen, mit dem ich eine Zeit lang zu tun hatte. Irgendwie kam ich mir privilegiert vor. Das klingt vielleicht verrückt, aber nach einem Leben in weitgehender Anonymität versetzte mich der Gedanke, die Aufmerksamkeit eines so berüchtigten Serienmörders geweckt zu haben, in absolute Hochstimmung. Was für ein fantastisches Gefühl, unter weiß Gott wie vielen Tausenden auserwählt zu sein! Dieses Gefühl machte das wahre Wesen meiner Offenbarung aus: die bloße Begeisterung, endlich wahrgenommen zu werden. Ich hätte Grandson auf der Stelle umarmen können.
Nicht dass ich es tat, nur damit das klar ist.
Zuletzt entdeckte ich in seiner Brieftasche einen Ausschnitt mit einer Kontaktanzeige aus der hiesigen Zeitung. Sie war dick eingekreist und lautete in etwa:
»GOB, wir wissen, dass du dort draußen bist, warum schaust du nicht auf Kaffee und Kuchen vorbei? Dein Errol Flynn.«
Ich konnte es nicht glauben.
Warum sollte ausgerechnet Errol Flynn einem Serienkiller schreiben wollen, und wie sollte das überhaupt gehen, wo er doch, soweit ich wusste, seit fast fünfzig Jahren tot ist?
Dennoch, meine Neugier war geweckt. Ich meine, wem wäre es nicht so gegangen? Errol Flynn ist einer der besten Schauspieler aller Zeiten, und er hatte mir eine Nachricht geschickt. Auch wenn er nicht wusste, dass sie bei mir gelandet war, aber das war mir egal.
Ich hatte wirklich keine Lust, von der Polizei wegen des Mordes an Grandson aufs Korn genommen zu werden. Bei meinem Glück wäre ich wahrscheinlich wegen Mordes angeklagt und sofort gehängt worden. Nachdem ich also Grandsons Leiche in einen Schrankkoffer gestopft und zusammen mit mehreren Gepäckstücken einer Theatertruppe an Bord eines Schiffes mit Kurs auf Südafrika verstaut hatte, durchstöberte ich in aller Ruhe die Zeitungen nach einer weiteren Nachricht von Errol. Doch zwei Wochen verstrichen, ohne dass etwas passierte. Ich konnte es nicht glauben; warum gab er keine weitere Anzeige auf? Die Sache fing an, mich runterzuziehen. Ich war so kurz davor, mich dauerhaft mit diesem berühmten Mann anzufreunden, und plötzlich meldete er sich nicht mehr. Dann, gerade als ich daran dachte, einen wütenden Brief an seinen Fanclub zu schicken, fiel es mir wie Schuppen von den Augen - vielleicht hatte Grandson auf die erste Nachricht nicht geantwortet, und vielleicht wartete Errol immer noch auf ein Lebenszeichen von ihm! Ich eilte zur nächsten
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