Der Courier des Czar
Flusse und dem Abhange daneben singen an allen Enden Feuer. Eine entsetzliche Helligkeit besiegte das Dunkel der Nacht.
»Endlich!« sagte Iwan Ogareff für sich.
Er konnte sich mit vollem Rechte Glück wünschen. Sein Angriffsplan ging fürchterlich in Erfüllung. Die Vertheidiger von Irkutsk standen plötzlich zwischen dem Sturmangriff der Tartaren und den Schrecken des Brandes.
Die Glocken heulten und Alles, was in der Bevölkerung noch kräftige Glieder hatte, eilte herbei nach den bedrohten Punkten und den von dem Feuer zerstörten Häusern, um wenigstens die übrige Stadt zu retten.
Das Thor von Bolchala entbehrte nun fast jeder Bedeckung. Nur wenige Mann sah man an demselben. Diese waren noch dazu unter dem Einflusse des Verräthers aus dem kleinen Corps der Verbannten erwählt, um die letzten Ursachen der kommenden Ereignisse von sich abwälzen und eher durch den politischen Haß jener Mannschaften erklären zu können.
Iwan Ogareff ging nach seinem jetzt von der brennenden Angara hell erleuchteten Zimmer zurück. Dann machte er sich bereit, auszugehen.
Doch kaum öffnete er die Thür, als sich ein Weib mit durchnäßter Kleidung und wild herab hängendem Haar in das Zimmer stürzte.
»Sangarre!« rief Iwan Ogareff im ersten Schrecken, da er kein anderes weibliches Wesen, als die Zigeunerin, vermuthen konnte.
Aber nicht Sangarre war es, sondern Nadia.
In dem Augenblicke, als das junge Mädchen auf der Eisscholle, dem letzten Zufluchtsorte, bei dem Aufleuchten des Feuers einen Schreckensruf ausstieß, hatte Michael Strogoff sie mit den Armen umschlungen und sich mit ihr in das Wasser gestürzt, um unter demselben einen Schutz gegen die Flammen zu finden. Wie erwähnt, befand sich die Scholle, welche sie trug, nur etwa noch dreißig Klafter oberhalb des ersten Quais von Irkutsk.
Nachdem er unter dem Wasser hingeschwommen, gelang es Michael Strogoff, daselbst mit Nadia an das Land zu kommen.
Endlich winkte Michael Strogoff sein heißersehntes Ziel. Er war in Irkutsk!
»Zum Palaste des Gouverneurs!« rief er Nadia zu.
Kaum zehn Minuten später erreichten Beide den Eingang des Palais, um dessen Grundmauern das Feuer gierig, aber unschädlich emporzüngelte.
Weiterhin standen die Häuser am Ufer alle in Flammen.
Michael Strogoff und Nadia traten ohne Hindernisse in das jetzt überall offene Gebäude. Mitten in der allgemeinen Verwirrung bemerkte sie, trotz ihrer triefenden Kleidung, Niemand.
In dem großen Parterresaale drängte sich eine Anzahl Officiere, um sich Befehle einzuholen, neben Soldaten, um letztere auszuführen. Hier wurden Michael Strogoff und Nadia durch das Stoßen und Drängen der erregten Menge von einander getrennt.
Rathlos durchirrte Nadia die Säle des Erdgeschosses mit lautem Rufen nach ihrem Begleiter und verlangte, vor den Großfürsten geführt zu werden.
Da öffnete sich vor ihr die Thür zu einem vom Feuerscheine hell erleuchteten Zimmer. Sie trat ein und stand unerwartet vor dem Manne, den sie in Ichim, wie in Tomsk gesehen hatte, gegenüber Demjenigen, dessen ruchlose Hand in der nächsten Stunde die Stadt ausliefern sollte.
»Iwan Ogareff!« rief sie entsetzt.
Der Elende zitterte, als er seinen Namen hörte. Sein ganzer Plan mußte ja scheitern, wenn dieser Name laut wurde. Ihm blieb nur Eines übrig: das lebende Wesen, wer das auch sei, umzubringen, weil es seinen wahren Namen kannte.
Iwan Ogareff drang auf Nadia ein; aber in der Hand des jungen Mädchens, das sich durch eine Mauer im Rücken zu decken suchte, blitzte schon ein Messer, um sich zu vertheidigen.
»Iwan Ogareff! rief sie nochmals lauter und im Bewußtsein, daß dieser verabscheute Name ihr Hilfe herbeirufen werde.
– Ah, Du wirst schweigen lernen! versetzte der Verräther.
– Iwan Ogareff!« rief das unerschrockene Mädchen zu dritten Male mit einer Stimme, deren Stärke ihr tödtlicher Haß nur verdoppelte.
In wahnsinniger Wuth riß Iwan Ogareff einen Dolch aus seinem Gürtel, sprang auf Nadia zu und drängte sie nach einer Ecke des Raumes.
Jetzt wäre es um sie geschehen gewesen, als eine unwiderstehliche Hand den Schurken von ihr wegriß und zur Erde schleuderte.
»Michael!« rief Nadia.
Es war Michael Strogoff.
Die Ausrufe Nadia’s hatten ihm den Weg gewiesen; durch sie war er zu dem Zimmer Iwan Ogareff’s gelangt und durch die halb offen gebliebene Thür eingetreten.
»Sei ohne Furcht, Nadia, sagte er, sich zwischen diese und Iwan Ogareff stellend.
– Nimm Dich in Acht, nimm Dich
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