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Der Courier des Czar

Der Courier des Czar

Titel: Der Courier des Czar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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in Acht, Bruder! … Der Verräther ist bewaffnet … Er kann auch sehen, und Du …«
    Iwan Ogareff war wieder aufgestanden, und da er mit dem Blinden leichtes Spiel zu haben wähnte, rannte er auf Michael Strogoff zu.
    Dieser packte ihn aber mit der einen Hand am Arme, lenkte mit der anderen seine Waffe ab und warf ihn wieder zu Boden.
    Todtenbleich vor Wuth und Scham erinnerte sich Iwan Ogareff, daß er ja einen Degen habe. Er riß diesen aus der Scheide und stellte sich wieder zum Angriff bereit.
    Auch hatte er Michael Strogoff erkannt. Einen Blinden! Er hatte es ja nur mit einem Blinden zu thun. Die Partie stand offenbar gut für ihn.
    Erschreckt durch die Gefahr, welche ihrem Freunde in einem so ungleichen Kampfe drohte, eilte Nadia zur Thür, um nach Hilfe zu rufen.
    »Schließe die Thür, Nadia! sagte Michael Strogoff. Rufe Niemand, laß die Rache mir allein! Jetzt braucht der Courier des Czar diesen Schurken nicht mehr zu fürchten. Er mag heran kommen, wenn er es wagt. Ich erwarte ihn!«
    Iwan Ogareff kauerte sich, ohne ein Wort zu sagen, wie ein Tiger zusammen. Er suchte das Geräusch seines Trittes, selbst das Hauchen seines
     

    Eine unwiderstehliche Hand schleuderte den Schurken zu Boden. (S. 391.)
     
    Athems dem Ohre des Blinden zu verbergen. Er wollte ihn tödtlich treffen, bevor er seine Annäherung gewahr würde. Der Schuft dachte nicht daran, sich ehrlich zu schlagen, er wollte den, dessen Namen er gestohlen hatte, einfach ermorden.
    Voll Entsetzen und doch voll Vertrauen betrachtete Nadia diese fürchterliche Scene mit einer Art Bewunderung. Michael Strogoff’s unerschütterliche
     

    »Wer hat diesen Mann getödtet? …« (S. 395.)
     
    Ruhe schien auch über sie gekommen zu sein. Als Waffe besaß Michael Strogoff nur sein sibirisches Jägermesser, und seinen mit dem Degen bewehrten Gegner sah er ja nicht einmal. Aber durch welche Gnade des Himmels vertraute er so sicher seiner Ueberlegenheit über Jenen? Wie konnte er, ohne daß ein Wort fiel, immer bereit sein, der Gegenspitze des Feindes zu begegnen?
    Iwan Ogareff starrte mit sichtlicher Angst auf seinen Gegner. Diese übermenschliche Ruhe erdrückte ihn. Doch wenn er dann seinen Verstand zu Rathe zog, sagte er sich wieder, daß ja der Vortheil ganz auf seiner Seite sei. Diese Unbeweglichkeit des Blinden aber machte ihn erstarren. Er suchte sich die Stelle aus, wo er sein Opfer treffen wollte … Er glaubte sie gefunden zu haben … Was hielt denn seinen Arm zurück?
    Endlich sprang er auf und führte einen heftigen Stoß gegen Michael Strogoff’s Brust.
    Eine geschickte und unerklärliche Bewegung des Messers Michael Strogoff’s lenkte den Stahl ab. Der Blinde war nicht getroffen, und kaltblütig schien er, ohne von der Stelle zu weichen, einen zweiten Angriff zu erwarten.
    Aus Iwan Ogareff’s Stirn perlte ein eiskalter Schweiß. Er trat erst einen Schritt zurück und drang dann auf’s Neue vor. Aber der Todesstreich mißlang ihm ebenso wie das erste Mal. Eine einfache Parade des breiten Messers drängte den nutzlosen Degen zur Seite.
    Rasend vor Wuth und Schrecken gegenüber dieser lebenden Bildsäule heftete der Verräther seinen Blick auf die weit geöffneten Augen des Geblendeten. Diese Augen, welche in dem tiefsten Abgrund seiner Seele zu lesen schienen und doch unmöglich sehen konnten, wirkten auf ihn mit einer Art entsetzlicher Zauberkraft.
    Plötzlich stieß Iwan Ogareff einen Schrei aus. In seinem Innern ward es unerwartet klar.
    »Er sieht, rief er, er kann sehen! …«
    Und wie ein Raubthier scheu seine Höhle zu gewinnen sucht, wich er in den Hintergrund des Saales zurück.
    Da belebte sich die Statue, der Blinde ging sicheren Schrittes auf Iwan Ogareff zu und sagte:
    »Ja wohl, er kann sehen! Ich sehe noch den Knutenhieb, mit dem ich Dich elenden Verräther gebrandmarkt habe. Ich sehe auch die Stelle, an der mein Messer Dich treffen soll. Auf, wehre Dich Deines Lebens. Ich erweise Dir noch die unverdiente Ehre eines Zweikampfes! Mein Messer genügt mir gegen Deinen Degen!
    – Er sieht! rief freudig erschreckt Nadia. Gütiger, gerechter Gott, ist das möglich?«
    Iwan Ogareff fühlte sich verloren. Noch einmal aber raffte er den letzten Muth zusammen und stürzte sich mit dem Degen auf seinen unerschütterlichen Gegner. Die beiden Klingen kreuzten sich, aber ein Messerhieb Michael Strogoff’s, geführt von der geübten Hand des sibirischen Jägers, sprengte die Klinge in Stücke und durch das Herz getroffen sank der

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