Der Dativ Ist dem Genitiv Sein Tod 1
übersteigerten Optimum: So lautet die Vorgabe für den Berliner Haushalt, die »finanziell optimalste Lösung zu finden«, und ein Vertrag mit Deutschland über die Luftüberwachung wird zur »optimalsten Lösung für die Schweiz«.
Was die Politik kann, kann die Werbung schon lange:
»Dies alles garantiert Ihnen beste Beratung und optimalsten Service«, behauptet ein Schweizer Optiker im Internet. Und dabei ist er noch bescheiden, denn man hätte, mit ein bisschen Phantasie, den Bogen durchaus noch weiter spannen können, zur »bestmöglichen Beratung« zum Beispiel, wenn nicht gar zur »idealsten«.
Dabei bedeutet »optimal« nichts weiter als »das Beste im Rahmen der Möglichkeiten«, und das kann manchmal sehr wenig sein. Optimal ist nicht dasselbe wie perfekt, und die Steigerung zu »optimalst« macht es nicht besser.
In keinster Weise.
Diverse Computer-Anbieter werben mit der angeblich
»optimalsten Hardware«, sinnieren öffentlich über die
»optimalste Systemanpassung« und die »optimalste Datenübertragungsrate«. Eine Firma verspricht sogar die
»optimalste, effizienteste und möglichst kostengünstigste Lösung«; da fühlt man sich als Kunde vom König zum Königst befördert.
Apropos König: Schon Ludwig XIV., Frankreichs
»L'Etat c'est moi«-Regent, herrschte ja nicht bloß absolut, sondern absolutistisch. Beim Anhängen der Silbe
»-istisch« handelt es sich zwar im streng grammatischen Sinne nicht um eine Steigerung, sondern bloß um eine Ableitung, doch für unser Ohr hört es sich nach »mehr«
an. In Zeiten von terroristischen Anschlägen durch Glaubenseiferer wird das » -istisch« gern verwendet, um das Böse, Gefährliche, Unberechenbare zu markieren.
Manchem Schreiber ist ein -istisch nicht genug, er geht lieber auf Nummer sicher und verdoppelt den Effekt, auch wenn meistens keine sprachliche Notwendigkeit dazu besteht. Denn was ist, abgesehen von ein paar zusätzlichen Silben, der Unterschied zwischen einem fundamental-islamischen Extremisten und einem
fundamentalistischen islamistischen Extremisten? Eines ist immerhin erwiesen: Wörter auf »-istisch« lösen Alarm aus, da gehen die Leser instinktiv in Deckung.
Das tun sie natürlich auch beim Super-GAU, aber nicht beim stinknormalen GAU. Ohne den Super-Vorsatz vermag der »größte anzunehmende Unfall« heute
offenbar niemandem mehr Angst einzuflößen. Kein Wunder, denn bei all den Hyper-, Ultra- und Megalativen in der Werbung und im Infotainment ist man gegen steigerungsfreie Ankündigungen »ganz normaler
Katastrophen« schon völlig immun.
Dass sich auch der Super-GAU noch steigern lässt und die Mitte ungefähr dort liegt, wo es am zentralsten ist, führt uns jener Politiker vor Augen, der in der
»Frankfurter Allgemeinen Zeitung« sagte: »Das wäre der größte Super-GAU in der Arbeitsmarktpolitik, den ich je erlebt habe. Wir liefen Gefahr, eine der zentralsten Reformen vor die Wand laufen zu lassen. «
Eine Fallgrube, in die immer mal wieder jemand stolpert, ist das aus zwei Teilen, nämlich aus Adjektiv und Partizip, gebildete Attribut. Wie herrlich einfach werden da aus »weit reichenden« Vollmachten erst weitreichendere Vollmachten und schließlich
weitreichendste Vollmachten. Die korrekte Steigerung von »weit reichend« lautet indes »weiter reichend«,
»weitest reichend«. Unlängst war in der »Tagesschau« zu hören, der Ärmelkanal sei eine der »vielbefahrensten«
Seestraßen der Welt, statt »meist befahrenen«. Selbst das eine oder andere angesehene Internet-Nachrichten-magazin lässt sich gelegentlich dazu hinreißen, über»tiefgehendere« Reformen zu schreiben. Kein Wunder, dass es mit den Reformen nicht richtig vorangeht, wenn der erste Teil des Attributs
übersprungen wird und man sich im zweiten verbeißt.
Pferde soll man nicht von hinten aufzäumen, und mehrteilige Attribute nicht von hinten steigern!
Im Wissen um diese Fehlerquelle haben die Väter der viel gescholtenen Rechtschreibreform übrigens beschlossen, dass solche Attribute nicht mehr zusammengeschrieben werden. So wurde »weitreichend« zu »weit
reichend«, »schwerverständlich« zu »schwer
verständlich« und »gut-aussehend« zu »gut aussehend«.
Damit man nicht mehr so leicht in Versuchung gerät, den falschen Teil zu steigern. Die Regel lautet: »Ist der erste Bestandteil ein Adjektiv, das gesteigert oder erweitert werden kann, dann schreibt man getrennt.«
Dies wird andere aber nicht davon
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