Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod 2
Fachjargon
auch Disclaimer genannt. Er weist auf die Vertraulichkeit des
Inhalts hin und fordert den Empfänger auf, die E-Mail sofort
zu löschen, sollte er nicht der richtige Adressat sein. Rund
hundert verschiedene Formen dieses Anhangs sind derzeit im
Umlauf. Einen tatsächlichen Nutzen, so wurde mir von
mehreren sachkundigen Juristen glaubhaft versichert, haben
diese Klauseln nicht. Wer wirklich vertrauliche
Informationen zu verschicken hat, der wählt dafür andere
Wege.
Diese E-Mail enthält vertrauliche und/oder rechtlich geschütze In-
formationen. Wenn Sie nicht der richtige Adressat sind oder diese E-
Mail irrtümlich erhalten haben, informieren Sie bitte sofort den
Absender und vernichten Sie diese Mail. Das unerlaubte Kopieren
sowie die unbefugte Weitergabe dieser Mail ist nicht gestattet.
This e-mail may contain confidential and/or privileged information. If
you are not the intended recipient [or have received this e-mail in error]
please notify the sender immediately and destroy this e-mail. Any
unauthorised copying, disciosure or distribution of the material in this e-
mail is strictly forbidden.
Ungeachtet ihrer Nutzlosigkeit machen diese Vertraulich-
keitshinweise inzwischen den größten Teil des elektronischen
Postverkehrs überhaupt aus. Man sollte immer damit
rechnen, dass der Empfänger einer E-Mail diese ausdruckt.
Der Rattenschwanz kostet dabei unnötiges Papier und führt
nur zu Verärgerung. Verzichten Sie darauf! Sie wollen doch
auch nicht, dass Ihnen der Briefträger vor Aushändigung Ih-
rer Post jedes Mal eine Rechtsbelehrung erteilt, oder?
Morgens um 8.30 Uhr im Treppenhaus: »Guten Morgen,
Frau Brauer, ich habe hier eine Postkarte für Sie! Ich kläre ie
darüber auf, dass der Inhalt dieser Postkarte vertraulich ist.
Sollten Sie nicht die richtige Adressatin sein, so sind Sie ver-
pflichtet, dies umgehend zu melden und/oder die Postkarte
sofort und ungelesenzu vernichten. Das Kopieren oder Wei-
terreichen dieser Postkarte ist nur mit ausdrücklicher Ge-
nehmigung des Absenders erlaubt! Einen schönen Tag, Frau
Brauer!«
Fazit
Klarheit ist gefordert! Gute Lesbarkeit, lieber eine zu große
Schrift als eine zu kleine, ganz normale Sätze mit Subjekt,
Prädikat, Objekt, Kommas und einem Punkt am Ende, ein
Mindestmaß an Höflichkeit und vor allem: nichts, was blinkt
und grell ist, flackert oder pulsiert oder auf sonst eine Art
und Weise geeignet wäre, das Auge des Empfängers zu be-
leidigen. Wer sich an einen ihm persönlich nicht bekannten
Adressaten wendet und auf eine Antwort hofft, sollte sich
um ein gewisses Maß an Verbindlichkeit bemühen. Fröh-
lichkeit ist dabei keinesfalls unangebracht, Förmlichkeit aber
auch nicht. Eine E-Mail ist wie eine Visitenkarte, sie verrät
weit mehr über uns als ihr schierer Inhalt.
Wenn man einen neuen Gedanken beginnt, schadet es
nicht, dies durch einen Absatz kenntlich zu machen. Genau
wie Punkte und Kommas können auch Absätze zur besseren
Lesbarkeit und Verständlichkeit von E-Mails beitragen. Ein
strukturierter Text lässt Rückschlüsse auf die strukturierten
Gedanken des Schreibers zu.
Und wer sich vor dem Klick auf »Versenden« kurz die Zeit
nimmt, das Geschriebene noch einmal selbst zu lesen und
gegebenenfalls zu korrigieren, tut nicht nur dem Empfänger,
sondern auch sich selbst damit einen großen Gefallen. Eine
originelle, eindeutige Betreffzeile, ein gepflegtes Schriftbild
mit ausgeschriebenen Wörtern, ein klarer Name und ein klar
formuliertes Anliegen erhöhen die Chance um ein Vielfaches,
vom Empfänger wahr- und ernstgenommen zu werden.
Zum Thema E-Mail ließe sich noch vieles sagen. Man
könnte ohne weiteres ein ganzes Buch damit füllen. Um den
Rahmen nicht zu sprengen, habe ich mich auf einige ausge-
suchte formale Aspekte beschränkt, die die Oberfläche des
Ganzen berühren.
Da E-Mail-Adressen im Unterschied zum guten alten Post-
absender selten Rückschlüsse auf die Herkunft des Schreibers
zulassen, ist es durchaus sympathisch, wenn man am Ende
der Mail hinter dem Namen auch den Wohnort nennt. Das
lässt den anonymen Versender weniger virtuell erscheinen
und gibt ihm eine real existierende Heimat, ein
»menschliches Zuhause«.
In diesem Sinne:
mit freundlichen Grüßen
Ihr Zwiebelfisch, Hamburg
Zwiebel-Test
Wie gut ist Ihr Deutsch?
Wie sicher sind Sie in Rechtschreibung, Grammatik und Fragen des
Stils? Hier können Sie Ihr Wissen
Weitere Kostenlose Bücher