Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod - Folge 1 (German Edition)
den Zivildienst im Herbst diesen Jahres von zehn auf neun Monate kürzen«, schreibt zum Beispiel die »Bild«-Zeitung. Und die »WAZ« weist darauf hin, dass die Bewerbungsfrist für die Kulturhauptstadt Europas »im März diesen Jahres« abläuft.
Die Wes-Wölfe hausen überall: »Nach derzeitigem Stand will die EU Ende diesen Jahres über einen solchen Fahrplan entscheiden«, berichtet die »Süddeutsche Zeitung«. Und der »Tagesspiegel« meldet: »Mit einem neuen Gesetz will die rot-grüne Bundesregierung ab Sommer diesen Jahres die Schwarzarbeit in Deutschland stärker bekämpfen.«
Besonders schwer haben es die Rotkäppchen in Ostdeutschland – im sächsischen Blätterwald lauern die Wölfe gleich rudelweise. In der »Sächsischen Zeitung« gibt es fast täglich mindestens eine Stelle, an der die falsche Genitiv-Form zum Einsatz kommt. Drei Beispiele, alle in einer einzigen Ausgabe gefunden:
Im Sommer diesen Jahres soll der Umbau des Gebäudes abgeschlossen werden.
Ende diesen Jahres wird bestimmt wieder ein immergrüner Baum in Bischofswerda den Altmarkt schmücken.
Bei der Sportlerehrung im Landratsamt Bautzen wurden im März diesen Jahres auch zwei Wehrsdorfer … geehrt.
Man ist schon versucht zu glauben, dies sei der berühmte sächsische Genitiv, von dem man im Schulunterricht gehört hat. Doch die Ver-Beugung dieses Pronomens ist ein gesamtdeutsches Phänomen. Mag die Sprache uns bisweilen auch trennen, die Sprachirrtümer führen uns wieder zusammen.
Die inflationäre Ausbreitung der falschen Fallbildung vor dem »Jahres«-Wort erregt Besorgnis und sorgt für Erregung. Dabei lässt die deutsche Grammatik hier keine zwei Möglichkeiten zu. Die Regel ist eindeutig. Man spricht ja auch nicht vom »Zauber diesen Augenblicks« oder vom »Ende diesen Liedes«, und ebenso wenig war Maria »die Mutter diesen Kindes«.
Wer dieses sagt, der muss auch jenes sagen. Wer also vom »Herbst diesen Jahres« spricht, der muss auch den »Frühling jenen Jahres« für richtig halten. Und tatsächlich: An die »Terroranschläge vom 11. September jenen Jahres« erinnert man sich bei der »WAZ«, und die »Frankfurter Rundschau« schreibt zum Jubiläum einer bunten Schweizer Armbanduhr: »Ganze zwölf Modelle waren es zunächst, die im Herbst jenen Jahres für einheitlich 50 Franken in den Handel kamen.«
Das Verflixte dieses Jahres liegt an seiner Ähnlichkeit mit anderen Wendungen, die ihrerseits völlig korrekt sind: im Herbst letzten Jahres, im Mai vergangenen Jahres, im Sommer nächsten Jahres – stets endet das Attribut auf -n; und auch »die Wurzel allen Übels« mag als Vorbild gedient haben, denn: im Fall des zweiten Falles heißt » alles« nicht mehr » alles«. So trat »diesen« durch Analogiebildung vor das Wort »Jahres« und vertrieb »dieses« von seinem angestammten Platz.
Die Rotkäppchen dieses Landes trifft ein hartes Los. Im Haus der Großmutter angekommen, findet das brave Kind die alte Dame seltsam verändert vor. »Großmutter, was hast du für große Ohren?«, fragt es verwundert. Die vermeintliche Großmutter lässt die Zeitung sinken, schielt über den Rand der dicken Brille und sagt: »Kindchen, Kindchen, nerv mich nicht mit deinen Fragen! Stell den Wein auf den Tisch und scher dich weg! Ich verdaue gerade deine zähe Oma und will bis zum Ende diesen Winters meine Ruhe!«
Italienisch für Anfänger
Da sitzt es, das junge Paar, im gemütlichen »Ristorante Napoli« und studiert die Speisekarte. Kerzenschein, italienische Musik, alles umwerfend romantisch. Der Kellner kommt, um die Bestellung aufzunehmen. Sie macht den Mund auf – da nimmt das Unheil seinen Lauf.
Jeder kennt ihn, den »typischen Italiener« an der Ecke, bei dem man sich so richtig italienisch fühlt. Aus dem Lautsprecher quäkt Al Bano, an der umbrafarbenen Wand hängen Ölbilder von Neapel und Palermo, die Kellner sind klein, robust und flink und heißen Luigi, Sergio oder Alfredo. Die Luft ist geschwängert von Rotwein und Pesto. In einer solchen Atmosphäre regt sich in uns unweigerlich das Bedürfnis, die deutsche Identität abzustreifen und die Illusion von »la dolce vita« und »bella Italia« nicht durch falsche Aussprache all der Köstlichkeiten auf der Speisekarte frühzeitig zerplatzen zu lassen.
Sie bestellt einen Insalata mista und die überbackenen Spinat-Gnocchi, wobei sie die dicken Kartoffellarven »Gnotschi« ausspricht. Da sagt er zu ihr: »Schatz, es heißt nicht Gnotschi, sondern Njokki!« –
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