Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod - Folge 1 (German Edition)
werden im Italienischen in der Mehrzahl »pizze« genannt, was in den Ohren der meisten Deutschen jedoch ungewohnt klingt. Daher sollte man Abstand nehmen von der Idee, Verkäuferinnen in einem Supermarkt mit dem Wort »Tiefkühlpizze« zu konfrontieren. Hier hat die deutsche Sprache die Mehrzahl nach ihren eigenen Regeln gebildet: Man kann Pizzas sagen oder Pizzen, beides ist richtig.
Viele italienische Spezialitäten befinden sich bereits im Plural, wenn sie bei uns in Deutschland eintreffen. Die oben erwähnten Kartoffelklößchen zum Beispiel heißen in der Einzahl Gnocco (gesprochen Njokko). Da selten ein Klößchen allein serviert wird, kennen wir sie nur als Gnocchi. Die Annahme, durch Anhängen eines Plural-s ließen sich aus Gnocchi viele, viele »Gnocchis« gewinnen, ist daher nicht korrekt.
Genauso wenig, wie einem »Spaghettis« an den Fingern kleben können. Die Einzahl der langen schlanken Nudel lautet spaghetto, demnach ist »Spaghetti« bereits die gemehrte Zahl. Wem das zu spitzfindig ist, der kann auch einfach Nudeln sagen. Mit Deutsch ist man im Zweifelsfall auch beim Italiener richtig beraten.
Unlängst berichtete mir ein befreundeter Jurist von seinem Besuch in einem Restaurant namens »Don Pepito«, das er an jenem Abend zum ersten Mal betrat. Und wohl auch zum letzten Mal, denn es stimmte einiges nicht mit diesem »original italienischen Ristorante«. Auf der Karte gab es Crevetten mit »Advocato«, was ihn als Anwalt gleich misstrauisch stimmte. Die Tortellini gab es wahlweise vegetarisch und »con cane«, was allerdings nicht »mit Fleisch« (con carne), sondern »mit Hund« bedeutet. Der Milchkaffee schließlich wurde als »Cappucchino« angeboten – und müsste nach italienischen Regeln »Kapukino« ausgesprochen werden. Wie sich herausstellte, war die Bedienung ein fröhlicher Mix aus Türken und Kroaten, die Bilder an der Wand zeigten Balkan-Idylle, und die Musik aus dem Lautsprecher war nicht Al Bano, sondern albanisch. Allein das Lächeln, mit dem »Don Pepito« die Rechnung präsentierte, hatte etwas »unverwechselbar Sizilianisches«. »Wie ein waschechter Mafiosi«, schloss der Freund seinen Bericht und verbesserte sich sogleich: »Wie ein Mafioso.«
Für alle, die es trotzdem genauer wissen wollen, hier ein paar Regeln zur Aussprache von c und g im Italienischen:
(c) Der Buchstabe c wird vor den hellen Vokalen e und i wie »tsch« ausgesprochen; vor den dunklen Vokalen a, o und u wird er wie »k« ausgesprochen. Circo, das italienische Wort für Zirkus, wird also »tschirko« ausgesprochen, caldo, das Wort für heiß, wird dagegen »kaldo« gesprochen – was schon bei Tausenden deutscher Touristen zu Verbrennungen geführt hat.
(g) Der Buchstabe g wird vor den hellen Vokalen e und i wie »dsch« ausgesprochen (genauer: wie das J in Job); vor den dunklen Vokalen a, o und u wird er wie »g« ausgesprochen: gondola (die Gondel) = »gondola«, gelato (Speiseeis) = »dschelato«.
(ch/gh) Das h hinter c oder g dient der Verhärtung, es macht das »tsch« zum »k« und das »dsch« zum »g«. Stünde es nicht, so hieße es »Spadschetti« und »Njotschi«. Bruschetta wird »Brusketta« gesprochen.
(ci/gi) Das i hinter c oder g dient der Erweichung, es macht c und g zu »tsch« und »dsch« und wird selbst nicht mitgesprochen: Der berühmte Gruß ciao wird also nicht »tsch-i-au« gesprochen, sondern eben nur »tschau«. Würde das i nicht stehen (cao), so müsste man es »kau« aussprechen. Das Vanilleeis mit Schokoladenstücken, Stracciatella, wird »Stratschatella« ausgesprochen, der Vorname Giovanni wird »Dschovanni« ausgesprochen, nicht »Dschiovanni«. Und das leckere Ciabatta einfach »Tschabatta«.
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Bratskartoffeln und Spiegelsei
Heißt es Schadensersatz oder Schadenersatz? Zahlt man Einkommensteuer oder Einkommenssteuer? Immer mehr Begriffen scheint der vertraute S-Laut in der Mitte abhanden zu kommen. Das muss man sich jedoch nicht gefallen lassen. Ein Plädoyer für gut geschmierte Sprache und gegen unsinniges Amt[s]deutsch.
»Das heißt Essenmarken und nicht Essensmarken«, bellt der Unteroffizier den Rekruten an, »es heißt ja auch nicht Bratskartoffeln und Spiegelsei!« Diesen Spruch wiederholt er am Tag mindestens zwanzig Mal, und es bereitet ihm immer wieder Genuss, einem unbedarften Brenner Anmerkung eine laute Lektion in Sachen Amtsdeutsch erteilen zu können.
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