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Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod: Folge 5

Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod: Folge 5

Titel: Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod: Folge 5 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastian Sick
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heute nicht mehr existiert.
    Buchstäblich befeuert wurde meine kindliche Fantasie vom Namen einer Straße in der Nähe des Doms: »Fegefeuer«. Sie wurde so genannt, weil sie geradewegs zum »Paradies« führt, der Vorhalle des Doms. Wer falsch abbog, konnte allerdings auch in der »Hölle« landen. So nämlich heißt eine kleine Straße, die vom Fegefeuer abzweigt. Und dabei handelt es sich natürlich um eine Sackgasse.
    Auf weltlicheres Geschehen verweisen Straßennamen wie »Schrangen« (von »Schranken«, den Verkaufstresen der Schlachter), »Hüxterdamm« (»Hüxter« war ein altes Wort für Krämer, im Plattdeutschen noch als »Höker« zu finden) und »Schüsselbuden«, benannt nach den Marktständen für Haushaltswaren. Die wohlklingende Glockengießerstraße und die etwas derber klingende Fleischhauerstraße nehmen auf alte Berufe Bezug, ebenso die Wahmstraße, auch wenn man es ihrem heutigen Namen nicht mehr ansieht. »Wahm« ist die Verkürzung des Wortes »Wagenmann«, die Wahmstraße war also die Straße der Fuhrleute. Ob die durch Thomas Mann und seine »Buddenbrooks« so berühmt gewordene Mengstraße auf einen Familiennamen Mengo oder das niederdeutsche Wort für Händler, »menger« oder »manger«, zurückgeht, ist nicht eindeutig geklärt, sicher ist nur, dass die Mengstraße nichts mit dem Wort Menge zu tun hat, auch wenn sie heute eine Menge Touristen anlockt. Welches Handwerk in der Schlumacherstraße ansässig war, gibt besondere Rätsel auf. Es waren keine Schuster, auch keine Schlauchmacher oder gar Schlaumeier. Die Schlumacher waren Weber. Sie fertigten Wolldecken an, wie sie aus dem französischen Ort Châlons bekannt waren. Die Châlonsweber hießen im Niederdeutschen Salunenmaker und wurden schließlich zu Schlumachern.
    Nicht wenige Straßennamen sind durch Verballhornung entstanden, was gut zu Lübeck passt, denn Lübeck war die Heimat des Buchdruckers Johann Balhorn, auf den das Wort »verballhornen« zurückgeht, das immer dann zum Einsatz kommt, wenn etwas verfälscht, umgedeutet oder verschlimmbessert wird. Balhorn hatte nämlich einst im Auftrag des Lübecker Rates eine hochdeutsche Fassung des lübischen Rechts gedruckt, die aber zahlreiche Änderungen enthielt, welche sich die Bearbeiter wohl eigenmächtig erlaubt hatten. Dafür konnte Balhorn nichts, denn er war ja lediglich der Drucker. Da auf dem Titelblatt jedoch nicht die Namen der Bearbeiter standen, stattdessen aber der Vermerk »Gedruckt zu Lübeck durch Johann Balhorn im Jahr 1586«, wurde »verballhornen« zu einem geflügelten Wort.
    Lübeck füllte meinen Kopf – mit Bildern, Wörtern und Geschichten. Doch auch mein Bauch ließ sich in Lübeck aufs Köstlichste füllen: Dort kann man nämlich exzellent »niedereggern«, sprich: ins Café gehen und ein Stück Lübecker Nusstorte verzehren, ein sündiger Traum aus Haselnüssen, Sahne und Marzipan. Das war schon als Kind ein Höhepunkt für mich, und meine Großmutter und ich waren uns einig, dass das Wort »niedereggern« unbedingt in den Duden aufgenommen werden sollte.
    Dieser Text entstand im Auftrag der Zeitschrift »Merian« für die Ausgabe »Lübeck und die Lübecker Bucht«, erschienen im Mai 2013.
Zur Behandlung von Straßennamen in der Grammatik:

»Der antastbare Name« (»Dativ«-Band 3)
»In der Breite Straße« (»Dativ«-Band 3)

Eine Weihnachtsgeschichte
    Kinder lieben es, wenn ihnen vorgelesen wird. Sie können dieselbe Geschichte wieder und wieder hören, ohne dass ihnen dabei langweilig wird. Dem Vorlesen wohnt ein Zauber inne, sagt man. Diesen Zauber gilt es zu bewahren.
    Über viele Jahrhunderte hat das Vorlesen in der Beziehung zwischen Eltern und Kindern eine wichtige Rolle gespielt. Vorlesen regt die Fantasie an und trägt zur Entwicklung des Sprachgefühls bei. Darüber hinaus können durch Vorlesen emotionale Bindungen aufgebaut und vertieft werden. Leider gerät das Vorlesen zusehends aus der Mode. Immer seltener nehmen sich Erwachsene heute noch die Zeit, ihren Kindern etwas vorzulesen. Seit 2004 gibt es daher den »Bundesweiten Vorlesetag«, eine Initiative der Stiftung Lesen und der Wochenzeitung »Die Zeit« zur Förderung der Vorlesekultur. Er findet alljährlich im November statt, und jeder, der Spaß am Vorlesen hat, kann sich daran beteiligen. 2010 war ich in Nürnberg dabei. Es war ein kalter Morgen, auf dem Hauptmarkt standen die fertig aufgebauten Buden, doch es war noch nichts los. Die Stadt lag reglos da, so als würde sie auf

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