Der Delta-Stern
Leidenschaft, und ihre leicht vorstehenden Zähne schimmerten weiß im Lampenschein.
»Komm«, sagte sie, nahm seine Hand und führte ihn durch den Flur in ihr Schlafzimmer.
»Ob du's glaubst oder nicht, deshalb bin ich nicht hier«, sagte er und merkte, wie das Blut in seinen Adern hämmerte. »Ich wollte bloß ›Stardust‹ tanzen.«
»Es ist mir völlig egal, weshalb du hier bist«, sagte sie und zog ihm die Jacke von den Schultern. »Seit ich dich kenne, hab ich dauernd Anregungszustände.« Dann sagte sie: »Los, ins Bett, Mexikaner.«
15. KAPITEL
Der Delta-Stern
Der Detective kam erst um vier Uhr morgens in sein Apartment zurück. Lupe Luna hatte ihn nicht überreden können, die ganze Nacht bei ihr zu bleiben. Er wußte nicht, warum er die restlichen dunklen Stunden unbedingt allein sein mußte, aber er mußte es. Ein merkwürdiges Gefühl hatte ihn gepackt. Es begeisterte und erschreckte ihn. Ihm war schwindlig, und es war nicht klar, ob er eine Ohnmacht, das große Kotzen oder einen Herzanfall kriegen würde.
Irgendwas in ihm erzeugte eine bestimmte Art von Energie. Seine Nerven wurden bombardiert mit Phantasiebildern. Erlag im Dunkeln, weder wach noch schlafend. Bei geschlossenen Augen tauchten grelle Bilder vor ihm auf: Lupe Luna. Dichte schwarze Wimpern. Brustwarzen wie die prallen Fruchtknoten in Butterblumen. Dann, in hellerem Licht, wie bleiche Kirschen aus Alabaster.
Er machte die Augen auf, um durch das Schlafzimmerfenster in den dunklen Himmel zu gucken. Ein geheimnisvoller Stern schimmerte schwach durch den Smog. Er schloß die Augen, für Sekunden oder für Tage. Als er sie aufmachte, flimmerte der Stern, als sei er lebendig geworden! Er wirbelte durch die Dunkelheit wie ein wild gewordenes Elektron. Der Stern, inzwischen schon so groß wie die Sonne, sprengte die letzten Grenzen und wurde zum Sternenfeuer. Der winzige Augenblick eines kosmischen Anregungszustandes! Dann, plötzlich, aufkommendes Schweigen. Silbernes Licht von Sternen und Regen. Kumuluswolken wie weiße Klöppelspitzen. Monduntergang. Um halb sechs Uhr früh erhob er sich schweißüberströmt aus seinem Bett wie Ludwig vom Billardtisch. Wenn er fähig gewesen wäre, zu brüllen wie der Rottweiler, hätte er vielleicht auch das getan. Um fünf Minuten nach halb sechs fluchte Ignacio Mendoza auf spanisch in sein Telefon.
Mario Villalobos, dem die schmerzenden Augen fast aus den Höhlen traten, sagte: »Bitte, Professor, versuchen Sie doch zu begreifen, daß ich Sie nicht geweckt hätte, wenn's nicht sehr dringend wäre! Lassen Sie mich meine Frage jetzt noch mal wiederholen: Welcher sowjetische Chemiker hätte momentan die meisten Chancen als Kandidat für den Nobelpreis?«
»Estupido!« donnerte Ignacio Mendoza, und der Detective sah sich gezwungen, den Hörer fast einen halben Meter von seinem Ohr wegzuhalten. »Ich hab Ihnen gesagt, daß die besten Forschungsergebnisse iiin Amerika erzielt werden! Dazu noch ein paar iiin Westdeutschland oder iiin England! Keinesfalls iiin Rußland! Wecken Sie mich tatsächlich wegen einer solchen albernen Miiiickymauscopfrage?«
»Bitte, legen Sie nicht auf, Professor!« flehte Mario Villalobos. »Ich glaub, ich hab den Anregungszustand Delta-Delta-Stern erlebt.«
Ignacio Mendoza verstummte für einen Moment, und dann sagte er: »Anatolij Roslow. Er arbeitet iiin Dubna, dem sowjetischen Los Alamos. Er hätte als einziger Chancen, aber diese Vorstellung iiist so absurd, daß …«
»Auf welchem Gebiet hat er seine wichtigsten Entdeckungen gemacht?« fragte Mario Villalobos.
»Zweifellos in der metallorganischen Nuklearchemie«, antwortete der Peruaner. »Spezifisch bei der Beobachtung von besonderen katalytischen Zwischenprodukten. Das hat größte Bedeutung für die Entwicklung kostengünstiger synthetischer Brennstoffe.«
»Okay, dann sagen Sie mir jetzt noch den Namen des Caltech-Wissenschaftlers, der auf exakt demselben nuklearchemischen Gebiet Hervorragendes geleistet hat. Ich meine, einen Mann, der ähnliche Entdeckungen gemacht hat, wenn nicht sogar dieselben Entdeckungen.«
»Noah Fisher«, sagte Ignacio Mendoza sofort.
»Wäre er ebenfalls ein Kandidat für den Preis?«
»Sie begreifen es nie, Sergeant!« schrie der Chemiker in äußerster Verbitterung. »Chemie ist niiicht die Art von Wissenschaft, wo ein Teilergebnis sofort weitreichende Folgen hat! Wir machen keine grundlegenden Entdeckungen wie iiin der Physik oder iiin der Biologie. Es geht um das Gesamtwerk
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